l
1
I
t
r^
EE Ea oot
ct
2 = AE EL LIO. rl, t
Barbara Hepworth (1903-1975)
Shaft and Circle, 1973
Bronze, poliert
114 X 30,5 cm (ohne Sockel)
8 x 47,5 X 30,5 cm (Sockel)
Bez. an der Stirnseite des Sockels hinten links
(grav.): Morris/Singer/FOUNDERS LONDON,
u. r.: Barbara Hepworth 4/9
B. Hepworth Estate, London, BH 572
LSK 93.05
Die englische Bildhauerin Barbara Hepworth besass bereits
einen internationalen Ruf, als sie anlásslich einer retrospektiven
Ausstellung ihrer Arbeiten in der Londoner Whitechapel Art
Gallery àusserte: «Perhaps what one wants to say is formed in
childhood and the rest of one's life is spent in trying to say it.»'
Wie wichtig die frühen Eindrücke waren, hat sie exemplifi-
ziert, als sie die besondere Bedeutung der als Kind wahrgenom-
menen Formen erläuterte und in erster Linie die aufrecht stehen-
de Form nannte, die ihr Gefühl gegenüber einem Menschen,
der in der Landschaft steht, übersetze. Sie fuhr dann fort: «[...]
I am convinced that a sculptor must search with passionate in-
tensity for the underlying principle of the organization of mass
and tension — the meaning of gesture and the structure of
rhythm. In my search for these values I like to work both realis-
tically and abstractly.»?
Der Skulptur in der Liechtensteinischen Staatlichen Kunst-
sammlung mit dem Titel Shaft and Circle hat die Künstlerin
keinen ausdrücklichen Hinweis auf die anthropomorphe Bedeu-
tung mitgegeben. Sie gehort zu Barbara Hepworth’ Spétwerk,
in dem sie sich weit von ihren Anfängen bei Hans Arp und
Constantin Brancusi, denen sie in den frühen dreissiger Jahren
in Paris begegnet war, entfernt hat. Eine erste Version aus
irischem Marmor entstand 1972 in eigenhändiger Meisselarbeit,
258
die Barbara Hepworth immer schätzte und neben dem Bronze-
guss auch weiterhin ausgeübt hat.’ Für die als schlankes Trapez
aufsteigende Skulptur, deren Seitenflächen zu atmen scheinen,
gibt es den deutschsprachigen Titel Sdulenschaft mit Kreisring,
der allerdings weniger aussagt als die originale englische For-
mulierung, welche die abstrakte Kórperform und das prázis ein-
gravierte Kreisrund, das exzentrisch von einer vertikalen Gera-
den durchschnitten wird, in ihrem ambivalenten Nebeneinander
bestehen lässt. Solche linearen, meist geometrischen Muster
kommen auf den Skulpturen von Barbara Hepworth häufiger
vor. Sie erklären sich womöglich mit einem Satz, den Kunst-
historiker aus den lesenswerten Schriften der Bildhauerin immer
wieder zitieren, weil er ihr künstlerisches Credo kurz zusam-
menfasst: «To infuse the formal perfection of geometry with the
vital grace of nature.»*
Einen jüngeren Aspekt der Forschung brachte die New Yorker
Kunsthistorikerin Dore Ashton zur Sprache; sie betonte in einer
Würdigung des Spätwerks von Barbara Hepworth deren Nähe
zur Kunst des prühistorischen Menschen? Ihre Skulptur Shaft
and Circle erinnere an Bilder der Hóhlenmalerei und an die
Steinmale der frühen Bildhauer, deren ursprungsnahe Kraft
durch die Erfahrungen vieler folgender Jahrhunderte bis zu
Barbara Hepworth' «universal or abstract vision of beauty»
sublimiert worden set." ET
Barbara Hepworth. Retrospective Exhibition 1927-1954. Ausst.-Kat. Whitechapel
Art Gallery, London, 1954, S. 1.
? Ebd., S. 10f.
Das Marmorexemplar von 1972 misst in der Hóhe 116,2 cm, die Bronze 113,3 cm.
Zu den Werkangaben vgl.: Barbara Hepworth. Conversations. Ausst.-Kat.
Marlborough Gallery, New York, 1974, Nr. 8, Abb. S. 28, Werk-Nr. BH 516.
Barbara Hepworth. Ausst.-Kat. Marlborough Galerie, Zürich, 1975, Nr. 23,
Abb. S. 49, Werk-Nr. BH 572 (mit Angabe der Auflage).
Barbara Hepworth. Ausst.-Kat. Marlborough-Gerson Gallery, New York, 1966, o.S.
Barbara Hepworth. Conversations. Ausst.-Kat., wie Anm. 3, S. 5 ff.
Ebd.
-