Volltext: Bestandeskatalog

Claus Bury (*1946) 
Stufenschichtung, 1994 
I 
Bleistift, Pinsel in Tusche und Gouache 
11,8 X 59,3 cm 
Bez. u. r.: Stufenschichtung Skulpturengarten 
Stein-Egerta Bury 94 
LSK 94.19 
Claus Bury gestaltet architektonische Skulpturen, meist aus 
Tolz, die zum Teil monumentale Ausmasse haben. Seine Ar- 
beitsweise entspricht in der Werkgenese dem traditionellen, in 
der Renaissance manifestierten System, wonach auf eine Ideen- 
skizze eine Vorstudie, dann die Konstruktionszeichnung und 
schliesslich das Modell folgt.' Die Ausführung der Skulptur ob- 
jegt endlich einem spezialisierten Handwerkerteam. 
Die Liechtensteinische Staatliche Kunstsammlung verfügt mit 
Zeichnungen und Modell zur Skulptur Stufenschichtung über 
eine genaue Dokumentation dieser Arbeitsweise, Die Skulptur 
wird — diesmal in Stein — im Skulpturengarten Stein-Egerta an 
zinem vom Künstler ausgewählten Ort aufgestellt. Die Auswahl 
les Standortes bildet im Schaffen Burys einen zentralen Aspekt. 
So sucht er, wann immer möglich, seine Skulpturen in direkten 
Jialog mit ihrer Umgebung treten zu lassen. Sie korrespondie- 
ren jeweils mit Architektur, Landschaft oder städtebaulicher 
Situation, greifen aber auch inhaltliche Bezüge des Standortes 
auf. Die Stufenschichtung antwortet auf das abfallende Gelände 
des Skulpturenparkes. Eine Treppe führt den Besucher zu einer 
kreisrunden Brunnenanlage. Burys Skulptur fängt diese Bewe- 
gung auf und bildet mit ihrer rhythmischen Stufung gleichsam 
sin Gegengewicht. 
Während die meisten Holzskulpturen des Künstlers auch einen 
{nnenraum bilden, der durchschreit- oder begehbar ist, und so 
lem Besucher ein vielfältiges Raumempfinden ermöglichen, ist 
lie Stufenschichtung bei aller Transparenz, welche die Ein- 
schnitte erzeugen, doch ein relativ geschlossener Block. Theore- 
isch kann sie «bestiegen» oder «besetzt» werden, aber ihr we- 
zsentliches Element ist die Schaffung des «äusseren» Raumes, 
sines Dialogs mit den vorgefundenen Ortsbedingungen. Die 
vorliegende Zeichnung zeigt die Skulptur isoliert von den für 
Bury bedeutsamen räumlichen Beziehungen. Immerhin stellt 
ler — wenn auch sehr abstrakte — Rasenausschnitt, der die Basis 
für die Arbeit bildet, einen entfernten Bezug zum Aufstellungs- 
art her. Doch stehen die vorangegangenen Überlegungen nicht 
nehr im Vordergrund, wenn Bury nach Abschluss des konkre- 
;en, konstruktiv-planerischen Prozesses eine Zeichnung kolo- 
ziert. Er bearbeitet sie mit buntfarbiger Tusche und Gouache, der 
ar teilweise Graphitstaub zusetzt, behandelt die farbige Ober- 
Jäche dann mit Lösungsmitteln und Brennspiritus, wiederholt 
diese Vorgänge mehrmals. Er «setzt» so dem Bildträger stark zu, 
riskiert bisweilen auch die Zerstörung des Blattes, treibt die 
Auflösung des konstruktiven Linien- und Zahlengerüsts bis zu 
zinem von ihm gewünschten Stadium. Er verwendet vorwiegend 
«erdige» Farbtöne wie Grau, Braun, Rostrot und Ocker. Häufig 
sind die Blätter in verschiedenen Hell-Dunkel-Abstufungen 
gines Farbtones gehalten. Im vorliegenden Fall allerdings setzt 
Bury dem zarten Ocker des Hintergrundes und dem Braun der 
Skulptur das Grün des Rasenstückes kontrastreich entgegen, 
Ässt noch relativ viel des verwirrenden Liniengerüsts durch- 
scheinen und gestaltet die Farbflächen von Skulptur und Basis 
sehr lebhaft. Dadurch haftet der Zeichnung ein stark prozesshaf- 
;er Charakter an. Gleichzeitig ermöglicht sie dem Betrachter 
ıoch einen gewissen Zugriff auf die Werkgenese. Diese maleri- 
schen Formulierungen stehen in ihrem nur bedingt kalkulierba- 
‚en Gestaltungsprozess dem konzeptuellen, rationalen Aus- 
zangspunkt im Werk Burys entgegen. Während der Künstler 
seine Arbeit mit sachlichen mathematischen Überlegungen zur 
Gestalt, Konstruktion und Statik einer Grossplastik beginnt und 
sie in exakter Architektenmanier planerisch umsetzt, deckt die 
malerische Gestaltung der Zeichnungen eine vollkommen ande- 
re Facette seiner Persönlichkeit und seines Schaffens ab. Hier 
entstehen im spontanen, freien und emotionalen Umgang mit 
den Materialien Äusserungen, die Claus Bury eine wohltuende 
ınd notwendige Ergänzung seines Werkes sind. CK. 
Wieczorek, Uwe: Funktion und Bedeutung der Zeichnungen Claus Burys. In: Claus 
3ury. Architektonische Skulpturen 1979-1993. Ostfildern bei Stuttgart, 1994, S. 6f. 
D
	        

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