Volltext: Bestandeskatalog

Joseph Beuys (1921-1986) 
Schwurhand, 1980, aus der Folge Schwurhand, nach einem Entwurf von 1949 
|. 
A 
N, 
Aquatinta und Lithographie 
9,8 X 15,7 cm 
31,5 X 24,5 cm 
Bez. u. M.: 62/75 Joseph Beuys 
Schellmann 360 
FSK 81.07.13 
Die Vorlagen zu den graphischen Blättern dieser Suite beruhen 
auf frühen Zeichnungen und Aquarellen. Beuys hat die Blätter, 
die er aus seinem Arsenal von Zeichnungen auswählte, so 
drucken lassen, wie er sie vor Jahren geschaffen hatte. Bei der 
Schwurhand beispielsweise ist das Papier leicht vergilbt; an an- 
deren Blättern sind die Ränder unregelmässig. Es war für ihn 
sehr wichtig, die Spontaneität der Zeichnung oder Skizze zu be- 
wahren. Beuys hat die Zeichnung immer als Grundlage seiner 
Arbeiten angesehen. In den ersten Jahren seiner künstlerischen 
Tätigkeit zeichnete er vor allem und griff auf dieses Medium in 
den späteren Jahren, als er seinen erweiterten Kunstbegriff erar- 
beitete, immer wieder zurück.‘ Die Suite Schwurhand basiert 
auf Zeichnungen, die mit unterschiedlichsten Materialien gear- 
beitet sind, wie Tusche, Aquarell, aber auch mit Ölfarben, insbe- 
sondere der rotbraunen Ölfarbe, die Beuys seit 1958 anwandte. 
Farbe war für ihn nicht einfach Material, sondern ein Stoff, der 
durch eine bestimmte chemische oder organische Qualität cha- 
rakterisiert war.? Zur braunroten Farbe äusserte er: «An und für 
sich ist das keine Farbe in meinem Sinne, sondern eine Form 
von Substanz. Einfach für einen überlagernden Stoff. Mich reizt 
das Überlagernde. Das ist ja eigentlich ein verdecktes Rot. Erde 
oder Mutter. Man kann es auch als plastische Substanz anse- 
hen.»? Beuys hat nie auf Leinwand gemalt. Er war kein Maler. 
Er war Zeichner, Plastiker und Objektkünstler. Die Zeichnung 
ist zentral in seinem Gesamtwerk. Die graphischen Blätter 
gaben ihm die Möglichkeit, durch die Zeichnung die Verbrei- 
tung seiner Botschaft zu ermöglichen. Themen der Zeichnungen 
umkreisen mythische und spirituelle Vorstellungen, Pflanzen, 
Tiere, alles, was mit der Natur zusammenhängt. Die beiden hier 
präsentierten Blätter Schwurhand und Blitz und Bienenkönigin 
(vgl. folgende Seiten) schreiben sich diesem Vorstellungsbe- 
reich ein. In der Schwurhand wird eine Perspektive des Mythi- 
schen angedeutet. Ein Schwur ist ein Gelöbnis. Ihm haftet etwas 
Feierliches, Sakrales an. Die rechte Hand wird zum Schwur 
erhoben, dabei sind Daumen, Zeige- und Mittelfinger ausge- 
streckt. Genau das stellt Beuys auf seiner Zeichnung dar. Er 
zeigt nur die Schwurhand, aus der Bildmitte gerückt und da- 
durch wirksam auf einer leeren Blattfläche, die durch zerlaufen- 
de Farbränder markiert ist. Die Leere gibt der Schwurhand Ge- 
wicht, zeichenhaft streckt sie sich empor. 
Beuys hat der Suite den Titel dieses Blattes gegeben. So muss es 
ihm von besonderer Bedeutsamkeit gewesen sein. Der Schwur 
ist in unserer Zeit eine vergessene oder sinnentleerte Form der 
Treuebezeugung. Man darf die Schwurhand wohl als Symbol 
einer menschlichen Tugend ansehen, die in der Gegenwart nicht 
mehr existent ist—-Die Zeichnung animiert unsere Erinnerung 
und sucht unser Denken in andere Richtungen zu lenken; My- 
thos und Tradition werden heraufbeschworen. E.B 
Van der Grinten, Franz Josef u, Hans: Multiplikationen. Münster, 1992, 5.7. 
Vischer, Theodora: Joseph Beuys. Die Einheit des Werkes. Köln, 1991. S. 102 
Zit. nach Vischer. wie Anm. 2. 5.103 
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21 
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1€ 
71
	        

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