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Joan Miró (1893-1983)
Petite fille sautant à la corde, femmes, oiseaux, 1947, aus Portfolio Number One
Radierung und Prägedruck
30 x 22,6 cm
42,1 X 32,5 cm
Bez. u. l.: 31/70, u. r.: Miró. 1947
Dupin 52
LSK 71.24
«Die Radierung ist für mich ein wichtiges Ausdrucksmittel. Sie
war für mich ein Mittel zur Selbstbefreiung, Erweiterung und
Entdeckung.» Mit diesem Zitat Mirós beginnt Dupin die Ein-
führung zum Catalogue raisonné der Radierungen von Miró.
Diese Technik kam dem spielerischen Geist des Malers, Bild-
hauers, Radierers, Lithographen und Keramikers Miró durch
den Reiz ihrer Technik und ihrer Abwandlungsmóglichkeiten
wie keine andere entgegen. Inspiriert haben ihn die Dichter, sich
mit der Graphik zu bescháftigen. Seine erste Lithographie schuf
er 1930 für ein Buch von Tristan Tzara, Arbre des voyageurs.
1932 versuchte er sich zum ersten Mal in der Radierung zur bild-
haften Begleitung der Enfances des surrealistischen Dichters
Georges Hugnet.! Es waren Bilder aus seiner Vorstellungswelt,
die den Text jeweils begleiteten, keine Illustrationen. Vielmehr
interpretierte er mit seinen Zauberwesen die Welt der surreali-
stischen Dichter, deren Werke er in der Folge zahlreich mit Ra-
dierungen und Lithographien ausstattete. Er fühlte sich ihnen in
Wahlverwandtschaft verbunden. Seine technische Ausbildung
erlangte er durch die Zusammenarbeit mit Marcoussis, mit dem
er das graphische Atelier teilte. Marcoussis selbst war ein be-
gnadeter Graphiker und konnte den phantasiebegabten jungen
Maler meisterhaft in das Handwerk einführen. Miró fühlt sich in
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seinem Element. Phantasievoll geht er mit den Techniken um,
experimentiert und erfindet neu, radiert auch einmal mit einem
Nagel. Er belebt die Oberfläche und macht sie zu einem vibrie-
renden Gebilde aus Zeichnung und Druck. Das Blatt der Liech-
tensteinischen Staatlichen Kunstsammlung ist beredtes Zeugnis
dafür. Es stammt aus dem Mappenwerk Portfolio Number One,
das sechs weitere Radierungen und Lithographien von surreali-
stischen Malern enthält: von Tanguy, Max Ernst, Wifredo Lam,
Matta, Seligmann und dem in New York lebenden Engländer
Stanley William Hayter. Bei ihm, der dem «Atelier 17» vorstand,
wurde das Mappenwerk gedruckt. Mirö radierte bei Hayter
seine Arbeiten und lernte durch diesen den unerschöpflichen
Reichtum an Techniken kennen, welche die Kupferplatte anbot,
wenn man sie mit Phantasie und Erfindungsgabe benutzte.
Hayter selbst war im Umgang mit Druckgraphik innovativ, und
Miró lernte von ihm, die Kupferplatte mit Raffinesse zu behan-
deln. Gerade die zwischen malerischer und zeichnerischer Be-
handlung schwebenden Hintergründe, die ja auch dieses Blatt
auszeichnen, sind ein hervorragendes Beispiel dafür. Man kónn-
te bei der Behandlung der Kupferplatte geradezu von einer
«Mischtechnik» sprechen, so ungewóhnlich verbinden sich hier
zeichnerische und malerische Qualitäten. Die Radiernadel ist
wohl am seltensten angewendet. Die diffuse Strich- und Punkt-
führung bindet die Motive — Menschwesen, Strichmännchen,
Sterne, Masken - in ein ornamentales Linienwerk ein, das die
einzelnen Formen vernetzt und ihnen doch die Freiheit des
Schwebens im Raum verleiht. E.B.
' Dupin, Jacques: Joan Miró. Radierungen I, 1928—60. Paris, 1984, S. 8.