Georges Braque (1882-1963)
T’heiere grise, 1947
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Farblithographie
36 X 54,5 cm
49 X 65,5 cm
Bez. u. r. (schwarze Kreide): G Braque 14/75
Engelberts/Hofmann 26; Mourlot 15; Vallier 35
LSK 73.01
Georges Braque war stets an einfachen Bildmotiven interessiert.
Das Stilleben zumindest nimmt seit der Zeit des analytischen
Kubismus in seiner Malerei einen zentralen Platz ein. Es kehrt
bis zu seinem Tode als Thema immer wieder, Die Lithographie
mit der Teekanne und der Zitrone — Gegenstände und Früchte
auf einem Tisch durchziehen seine Malerei leitmotivisch — ent-
stand 1947, zwei Jahre nachdem er begonnen hatte, die Technik
des Lithographierens in seine Arbeit einzubeziehen.‘ Sie wurde
bei Mourlot gedruckt und von Maeght herausgegeben. Gerade
im lithographischen Werk spielt der Rahmen, den Braque der
Komposition beifügt, eine grosse Rolle. Das Blatt Theiegre grise
hat eine besondere Intensität in der überaus verfeinerten Farb-
nuancierung von Braun-Violett. Samtig wirkt der Ton, der den
schwarzen Grund umgibt, auf dem das Bildmotiv erscheint.
Durch die chromatischen Überlagerungen hat Braque in der Li-
thographie einen höchsten Grad an Farbintensität erreicht, der
für den Betrachter gar nicht eindeutig wahrnehmbar ist, sich ihm
aber als Ausdruck dichter Farbqualität mitteilt.
Die Komposition steht der Malerei dieser Jahre nahe. Aus dem
Kontrast dunkler Töne leuchtet stets ein Gegenstand in besonde-
rer Helligkeit und Wärme hervor. Hier ist es das Gelb der Zitro-
ne. Den Hell-Dunkel-Effekt des Blattes unterstützt aber auch die
Weisshöhung der Teekanne. Die Formen sind rund und ge-
schmeidig. Harmonie bindet die Formen zusammen und ent-
spricht Braques Auffassung von der Beziehung der Dinge unter-
einander, die wichtiger ist als die Dinge selbst.? Braque ist zu
dieser Zeit 65 Jahre alt. Sein Werk trägt den Nimbus des Voll-
kommenen. «Gegenstände sind für mich nicht vorhanden, aus-
ser wenn zwischen ihnen und zwischen mir selbst eine Überein-
stimmung besteht. Wenn man diese Harmonie erreicht, gelangt
man zu einer gewissen geistigen Nicht-Existenz — ich kann das
nur als Zustand des Friedens bezeichnen —, die alles möglich
und richtig werden lässt. Das Leben wird dann eine fortwähren-
de Offenbarung. Das ist wahre Poesie.»® Ein Hang zum Meta-
physischen wird deutlich, der sich auch in einem anderen Ge-
danken Braques offenbart: «Womit ich mich beschäftige, ist
nicht länger Metapher, sondern Metamorphose.»* In diesem
Sinne wird ein Stilleben mit so bedeutungslosem Inhalt wie
einer Teekanne und einer Zitrone in der reduzierbaren Technik
des Lithographierens zur Aussage einer philosophischen Hal-
tung der Welt gegenüber. Der «bescheidene Ausgangspunkt»*
seiner Bildthemen, die Schlichtheit des bildlichen Erfassens,
hat Braque zu jener Stille des Werkes geführt, die es für viele
Liebhaber so kostbar macht. E.B.
Abb. in: Wünsche, Hermann: Braque, Das lithographische Werk. Bonn, 1971,
S. 45, Nr. 14. Unter 14 A ist’&ine weitere Version dieser Lithographie reproduziert
Abgebildet auch in: Mourlot, Fernand: Braque Lithographe. Monte Carlo, 1963
Haftmann, Werner: Georges Braque. His Graphic Work. New York, 1961,
S. XVIIL
_ Braque, Georges: Vom Geheimnis der Kunst. Zürich, 1958, 5.66 f.
— Wie Anm. 2, S. XXIV.
Leymarie, Jean: Georges Braque. Der Weg zur Vollendung. In: Georges Braque.
Ausst.-Kat. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, 1988, S. 18.
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