Georges Braque (1882-1963)
Fox, 1911
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Kaltnadel
54,7 X 38 cm
65,5 X 50,5 cm
Bez. u. r.: G Braque
Engelberts/Hofmann 5; Vallier 6
LSK 84.02
Das bei Eugene Delätre gedruckte, von Daniel-Henry Kahnwei-
ler 1912 in 100 Exemplaren herausgegebene Blatt gehört zu
einer Reihe von kubistischen Kompositionen, die Braque zwi-
schen 1911 und 1912 schuf. Zweifellos gehört Fox’ zu den voll-
endetsten dieser Drucke und — mit Picassos Nature morte, bou-
teille von 1912 — zu den wichtigsten graphischen Werken des
Kubismus. «Fox» war eine Bar in der Nähe des Bahnhofs Sain!
Lazare in Paris.” Aber es besteht kein abbildhafter Zusammen-
hang zwischen Graphik und Objekt. Ganz im Sinne des Kubis-
mus ist alles aufgelöst in ein Netz von Formen, aus denen man
gelegentlich Assoziationen zu bestimmten Teilen und Gegen-
ständen des Restaurants ablesen kann. Aber letztlich weiss man
nicht einmal, ob es ein Innen und Aussen gibt oder sich beide:
ineinander. vernetzt hat. Raum und Objekte sind in Linien um-
gesetzt. Einfache Halbkreise, Senkrechte, Waagerechte und
Diagonalen bilden einen pyramidalen Aufbau. Stünde nicht mit
grossen Buchstaben «Fox» im Blatt, würde man kaum in Erwä-
gung ziehen, dass Braque sich von der von ihm häufig frequen-
tierten Bar inspirieren liess. Braque befreite sich von allem
Überflüssigen. Was von der Wirklichkeit blieb, ist ein Skelett
aus Linien. Dies wird in ein neues, vom Künstler erfundenes
Ordnungssystem gebracht. Was in der Malerei des Kubismus die
Farbe leistet, übernimmt bei der Kaltnadeltechnik die Linie. Sie
ist Träger der Darstellung und Vermittler zwischen Wirklichkeit
und Konzeption bzw. Idee. Die Gesamtansicht wird aus Frag-
menten gebaut; die Dinge werden, ganz im Sinne des Kubismus,
von verschiedenen Ansichten wiedergegeben und aus den ein-
zelnen Strukturen zu einem Gesamtbild zusammengebaut. Zu
den Seiten hin bleibt der Raum offen. Die lineare Konstruktion
schreibt sich transparent in die Bildfläche ein und erreicht durch
die unbezeichnete Fläche, die den Raum sinnbildlich verkör-
pert, eine fast schwebende Situation. Die Schriftzeichen, die
Braque der Komposition beifügt, unterstützen diesen transpa-
tenten Schwebezustand. 1911 hatte er begonnen, mit Buchstaben
im Bild zu experimentieren, angeregt wohl durch Aufschriften
an den Glasscheiben der Restaurants.* Fox entsteht also mitten
in der experimentellen Arbeit, im Versuch, die kubistische Kon-
zeption weiter zu entwickeln. Im Bereich der Druckgraphik
ist Fox -ein glänzendes Beispiel für die Idee des analytischen
Kubismus, «aus dem Naturgegenstand einen Kunstgegenstand»
zu machen und zu einer ästhetischen Ordnung des Bildes zu
gelangen.“ E.B
Abb. in: Haftmann, Werner: Georges Braque. His Graphic Work. New York, 1961.
Nr. 4.
Vallier, Dora: Georges Braque. L’osuvre grave, Catalogue raisonne, Paris, 1982,
S. 19.
Haftmann, Werner: Malerei im 20. Jahrhundert. München, 1957, 5. 149.
Ebd., S. 150.
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