Volltext: Fünf Jahrhunderte italienische Kunst aus den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

Kat. Nr. 21 
FRANCESCO SALVIATT (1510-1563) 
«PORTRÄT EINES JUNGEN MANNES» (nach 1548) 
Holz; 838,5 X 68,5 cm 
Inv. Nr. G 848 
Erworben: 1894 durch Fürst Johannes II. 
Francesco Salviati stellt in diesem nicht näher identifizierten 
Porträt eines Jünglings wohl einen italienischen Adeligen dar. 
Ohne erläuternde Ortsangabe steht die Figur vor einem gleich- 
förmig grünen Grund, der sich nach rechts hin aufhellt, so daß 
der Eindruck räumlicher Tiefe entsteht. Leicht diagonal ins Bild 
gestellt, gewinnt der Porträtierte vor allem durch die Kopfwen- 
dung zum Betrachter an körperlichem Volumen. Die Komposi- 
ion entspricht als Dreiviertelfigur mit angewinkelten Armen 
and sichtbaren Händen dem in der Renaissance eingeführten 
Kanon der Bildniskonvention (vgl. Kat. Nr. 19). 
Salviati gestaltete die Mehrzahl seiner männlichen Porträts nach 
diesem Muster, wobei das ausgeprägte, manchmal manierierte 
Spiel der Hände ins Auge fällt, das dem statischen Habitus der 
Figuren zuweilen entgegensteht. Auf dem liechtensteinischen 
Porträt hat deren Darstellung jedoch besondere Bedeutung, 
denn zu dem Jüngling mit samtener Kappe, Lederkoller und 
geschlitztem Wams gehören höchst wohlgeformte, lange 
schlanke Hände, deren lässige Haltung von größter Eleganz 
kündet. Der ringgeschmückte kleine Finger der Linken wirkt als 
zarter Blickfang. Ein zahmes Hirschkalb leckt dem Jüngling den 
Rücken der Hand. Die Rechte hält mit zarter Geste den Hals 
ımfaßt. Auf diese Weise von beiden Händen umschlossen, 
gehört das Tier ganz eng zu der menschlichen Figur. Auf eine 
solche Identifikation deuten auch die Entsprechungen zwischen 
dem charakteristischen Wesen dieses Tieres und manchen 
Zügen, die der dargestellten Person eingetragen sind. Ihre 
großen, braunen Augen gehören ebenso dazu wie die feinglie- 
drige Struktur des Gesichtes, das unter der zarten Schläfenhaut 
den Stirnknochen durchschimmern läßt. Auch der grazile Hals 
des jungen Mannes erinnert an die anmutige Gestalt des Hirsch- 
kalbes. Nicht zuletzt wirkt die Kleidung des Jünglings wie eine 
leise Reminiszenz an das Tier. Das feine Lederkoller mag 
ursprünglich aus der Haut eben eines Hirsches gewonnen sein — 
jetzt bietet es als Bekleidungsstück, wie einst die Tierhaut auch, 
dem jungen Mann Schutz. Aus den Schlitzen dieses Kollers 
blitzt das Rot des darunter getragenen Wamses hervor. Es hat 
die Farbe des Fleisches, den aus vielen Gemälden bekannten 
«Venuston». Das Leuchten dieser Farbe verleiht der Bildkom- 
position die Verve eines Affektes, des naturhaft Lebendigen, das 
zu Tier und Mensch gleicherweise gehört. Das feingraue Chan- 
geant des kostbar glänzenden Stoffes bildet dazu die sublime 
Oberfläche. Diese «fleischliche Sphäre» des Wamses findet sich 
weißgerahmt, d. h. unterbrochen von Kragen und Manschetten, 
wo sie mit der Farbe des Inkarnats zusammentrifft. Die Kenn- 
zeichen eleganter Kleidung wirken so am Hals und an den Hän- 
den als delikate Überleitungen zur bloßen Haut der dargestell- 
(en Person. Die zarte Gesichtshaut strahlt hell, die rosigen 
Wangen und der volle, weichgeschwungene Mund lassen, wie 
auch die empfindsamen Hände, alle Anzeichen und Spuren des 
Alters vermissen. So zeigt sich der Bartwuchs des Jünglings 
nur weichhaarig, als zarter Flaum, der das Kinn umspielt, ganz 
ähnlich den feinen Locken, die unter der Kopfbedeckung her- 
vorkringeln. 
in der Zuschreibungsgeschichte hat es immer wieder Kontro- 
versen gegeben, da sich hartnäckig die Meinung tradierte. 
Agnolo Bronzino habe hierin das Bildnis Alessandros de’ 
Medici geschaffen. McCombs schon 1928 formulierter ent- 
schiedener Widerspruch blieb ungehört, obwohl stilistische 
Unterschiede zu den ungleich brillanteren, wesentlich kühleren 
ınd härteren Porträts des Mediceischen Hofmalers offensicht- 
lich sind, ebenso auch die physiognomischen Differenzen zu 
den authentischen Bildnissen Alessandros von Pontormo und 
Bronzino. Die von McComb und nachfolgend Berenson vorge- 
schlagene Zuschreibung an Francesco Salviati wird auch von 
Pope-Hennessy unterstützt, der in der Figurengestaltung zudem 
ainen Einfluß Parmigianinos erkennt. Endgültig bestätigt wird 
Salviatis Urheberschaft durch Mortari, die das liechtensteini- 
sche Bildnis 1992 in den Oeuvrekatalog des Meisters aufnimmt 
und seiner excellenten Qualität Rechnung trägt. Auch ihre nach 
„548 angesetzte Datierung in die zweite römische Periode 
des aus Florenz stammenden Künstlers überzeugt, insbesondere 
m Vergleich mit dem sehr verwandten Bildnis eines jungen 
Mannes in Frascati (Collezione Principe Aldobrandini). Beide 
Porträts wirken durch malerische Plastizität und Weichheit 
höchst eigenständig und treten den früheren, noch der Rigo- 
:osität Bronzinos verpflichteten florentinischen Bildnissen Sal- 
viatis entgegen. 
Francesco Salviati (eigentlich Francesco de’Rossi), einer der 
bedeutendsten Vertreter des florentinisch-römischen Manieris- 
mus, wurde 1510 in Florenz geboren und dort ausgebildet. Um 
1530 trat er in den Dienst des römischen Kardinals Salviati, des- 
sen Namen er sich aneignete. Nach seiner zeitweiligen Rück- 
kehr nach Florenz (1544/45—1548) gehörte-er-schließlich zur 
römischen Akademie von S. Luca und schuf dort bis zu seinem 
Tod 1563 neben Bildnissen vor allem Freskendekorationen, 
darunter jene des Palazzo Farnese und des Palazzo Ricci 
(Sacchetti). M.H. 
Ausstellungen und Literatur: Seite 152
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.