Volltext: Fünf Jahrhunderte italienische Kunst aus den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

Kat. Nr. 19 
PARIS BORDONE (1500-1571) 
«BILDNIS DES NIKOLAUS KÖRBLER» (1532) 
Leinwand; 99,7 X 77,5 cm 
Inv. Nr. G 1128 
Signiert und datiert: PARIS ./.bordon. f. (rechts unten) 
37 AETATIS ANOR M.D.XXXII. (links in Kartusche) 
Provenienz: Gräfin Adriani-Widmann-Rezzonico, Venedig, bis 1872 
Erwarben: 1872 durch Fürst Johannes II. 
Paris Bordones 1532 entstandenes Bildnis des Judenburger 
Kaufmannssohnes Nikolaus Körbler ist das früheste der selten 
signierten und datierten Werke im Oeuvre dieses veneziani- 
schen Malers!, Die zu einem späteren Zeitpunkt am oberen 
Rand des Bildes angebrachte goldene Inschrift in italienischer 
Sprache hebt den Rang Körblers, der nach dem Tunisfeldzug 
1535 von Kaiser Karl V. zum Admiral der kaiserlichen Flotte 
ernannt worden war, hervor”, Doch hier, drei Jahre zuvor, 
fehlt heroisches Gepräge. Ein pelzbesetzter, schwarzer Mantel 
mit raumgreifenden, voluminösen Ärmeln bekleidet den fast 
‚ebensgroß Porträtierten. Die linke Hand hat er in den Gürtel 
gehakt, die rechte hält ruhig die Handschuhe, ohne festen Griff. 
Dem körperlichen Habitus entspricht das Gesicht. Die Augen 
sind unscharf in die Weite gerichtet und vermitteln den 
Anschein entspannten Nachdenkens. In den Gestaltungsmerk- 
nalen folgt das Porträt venezianischer Bildniskonvention, wie 
man sie von Tizians Porträts bereits aus den zwanziger Jahren 
des 16. Jahrhunderts kennt. Auch dort zeichnen Körperhaltung 
and kontemplative Gestik den «Gentiluomo» aus. An Tizians 
Bildnisse erinnert auch die Dreiviertelfigur und der Dreiklang 
der schwarzen, braunen und weißen Gewandfarben. Doch im 
Unterschied zu jenen Porträts zielt Bordone hier nicht vorrangig 
auf eine psychologische Durchdringung der Figur. Es eröffnet 
sich keine Zwiesprache mit dem Betrachter, der den psychi- 
schen Regungen seines Gegenübers folgen und antworten 
könnte. Statt dessen steht uns eine auf sich selbst bezogene, 
kräftige und würdevolle Person mit starkem Hals und breiten 
Händen gegenüber. Sie zeigt ein frisches, volles Gesicht, noch 
dhne tiefe Faltenzüge. Man erkennt einen Mann in seinen 
besten Jahren und, wie es scheint, eher einen der Tat als des 
grüblerischen Denkens. 
Die wenigen ikonographischen Indizien, die das Porträt bietet, 
halten sich im Bereich des Zweideutigen im Hintergrund der 
Komposition. Ein Baumstamm steht der Figur zur Seite. Er 
schlägt plötzlich, genau auf der Höhe des Kopfes, aus und trägt 
eine Vielzahl lebender Blätter, die in hellem Grün leuchten. Die 
Wiederkehr des Baummotivs, diesmal zarter und in verkleiner 
tem Maßstab auf der linken Seite, unterstreicht den symbo- 
lischen Wert, den es für die dargestellte Person hat. Seine 
Wurzeln hat der Miniaturbaum in das Mauerwerk der Hinter- 
grundsarchitektur gesenkt. Ein Cartellino ist an das Stämmchen 
gebunden. Seine Inschrift verknüpft das Lebensalter Nikolaus’ 
mit dem Entstehungsdatum des Bildes: «37 AETATIS ANOR 
.D.XXX1l.». Wir sehen den Mann im Alter von 37 Jahren. Das 
Bauwerk hinter dem Porträtierten bleibt unbestimmt. Die abge- 
setzte Sockelzone und applizierte Verzierungen lassen Assozia: 
tionen an antike Bauten entstehen. Möglicherweise zeigt sich 
Nikolaus Körbler hier vor der Architektur eines Triumphbo- 
gens. Die nur schemenhaft erkennbare, figürliche Reliefszene 
links des Kopfes entzieht sich eindeutiger Bestimmung, doch 
handelt es sich eventuell um eine Dedikationszeremonie. Die 
rechte Figur erscheint erhöht auf einem Sockel und neigt sich 
der linken, tiefer stehenden Figur, deren gebeugtes Knie noch zu 
arkennen ist, entgegen. Ob sich in dieser antiken Bildsphäre der 
nistorische Hintergrund des Porträtierten verbirgt, läßt sich nicht 
Jefinitiv feststellen. So zeigt sich uns Nikolaus Körbler nicht 
nur als eine kräftige, lebensvolle, nordländische Person. Das 
3aumsymbol und die antiken Zitate offerieren dem Betrachtet 
auch die Anteilnahme an der inneren Stimmungslage des anson- 
sten eher verhalten erscheinenden Mannes. Das Selbstverständ- 
nis dieses Patriziers bedient sich einer Naturmetapher, indessen 
sein moralischer, auf das Gemeinwesen gerichteter Anspruch 
ain Bild in der Antike findet. Bordone hat den Judenburger Kauf- 
mannssohn und, wie die Reliefszene vielleicht andeutet, Günst- 
'ing Kaiser Karls V. als einen humanistisch gesinnten und zugleich 
«naturstarken» vir activus charakterisiert, wobei sich Nikolaus 
Körbler, bar der Standessymbole und Auszeichnungen, hier 
zanz im Rahmen eines bürgerlichen Porträts darstellt. 
Jaris Bordone wurde 1500 in Treviso geboren und starb 1571 in 
Venedig, wo er mit Ausnahme bedeutender Reisen nach Frank- 
eich an den königlichen Hof, nach Augsburg und Mailand, 
seine Lebenszeit verbrachte. Die Auseinandersetzung mit der 
Kunst Tizians blieb für Bordones Werk, wie seine Meisterschaft 
'n der Behandlung stofflicher Qualitäten zeigt, bestimmend. Im 
Spätwerk macht sich ein artifizieller Manierismus bemerkbar, 
der ihn unter den venezianischen Meistern isoliert. M.H. 
Die Signatur war ursprünglich in weißen Kapitalen (wie auf dem Cartellino) 
angebracht. Sie wurde später getilgt, wobei PARIS in schwarz übermalt und bor 
don f. darunter geschrieben wurde. Ursprünglich bestand die Signatur aus eine) 
Zeile. Das F ist noch schwach sichtbar, 
NICOLAUS. KORBLER. DA. JUDENBURG. ARMIRAGLIO.DI. CAROLO. V. A. 
TUNESE. 15.32 
Ausstellungen und Literatur: Seite 151
	        

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