Kat, Nr.
LORENZO MONACO (dok. 1391-1423)
«MARIA MIT DEM KIND UND ZWEI ENGELN»
(um 1420—22)
Holz; 67,6 X 35,5 cm; Tafel und Rahmen aus einem Stück (?)
Inv. Nr. G 865
Provenienz: Professor Constantini, Florenz, bis 1900
Erworben: 1900 durch Fürst Johannes II.
Vor goldenem Grund, im übernatürlichen Licht der göttlichen
Himmelssphäre, erscheint Maria auf einer rosafarbenen Wolke,
auf einem goldenen Kissen sitzend. Sie trägt einen lapislazu-
liblauen Mantel, das Maphorion, welches zugleich ihr Haupt
bedeckt. Es ist mit Gold gesäumt und hat ein gelbes Futter. Über
Marias Stirn sowie auf ihrer rechten Schulter erstrahlt jeweils
sin Gottesmutterstern, der auf den altorientalischen Jungfrauen-
stern, die Spica, zurückgeht. Während Maria ihr rechtes Knie
zur Seite abspreizt, zieht sie das linke steil nach oben. Auf die-
sem sitzt das Christuskind, in ein rosarotes, goldbesticktes Kleid
gehüllt. Eng schmiegt es sich an die ihm zärtlich zugeneigte
Mutter an, das rechte Ärmchen um ihren Hals gelegt, mit dem
linken sanft auf sie hindeutend, das Köpfchen seitwärts gewen-
det. Kindliche Neugier und Scheu bestimmen gleichermaßen
den Ausdruck seiner Augen. Marias Blick hingegen ist ernst,
gilt dem Betrachter, dessen Aufmerksamkeit sie mit ihrer Rech-
ten auf das Kind, auf Christus zu lenken sucht.
Zu Füßen Marias knien, auf kleinen, blauen Wolken, zwei Engel
in rosafarbenen, graublau schattierten Gewändern. Sie schwen-
ken Weihrauchfässer, Das Sehen der Gottesmutter und des Kin-
des erfüllt beide mit Andacht und Freude. Selbstvergessen und
ım eine Nuance zu heftig schlenkert der linke Engel sein
Weihrauchfaß, dessen Ketten zu schlingern beginnen. Den
freien Arm hat er um die Brust geschlungen, und zwischen
Oberkörper und rechtem Oberarm schauen, fast unbemerkt, die
Finger der linken Hand hervor.
Der Tafel ist eine der privaten Frömmigkeit angemessene, stille
Feierlichkeit eigen. AVE GRATIA PLENA DOMINUS TECUM!
erscheint als Engelsgruß an Maria auf dem im Stil der späten
Gotik gestalteten Bildrahmen. Er unterstreicht die hohe Bedeu-
ung der Gottesmutter, die auf einer Wolke sitzt, dennoch als
«Madonna dell’Umiltä» gedeutet werden muß, gleichsam als
«himmlische Variante»? der in Demut auf dem Erdboden, viel-
‚eicht noch auf einem Kissen sitzenden Jungfrau mit dem Kind.
Erst Marias Demut, die sie schon dem Erzengel Gabriel
während der Verkündigung als «Magd Gottes» entgegenbringt,
srmöglicht das künftige Heilsgeschehen in Christus und wurde
daher als Haupttugend der Gottesmutter verherrlicht. Ihr
Erscheinen im Himmel, allem Irdischen entrückt, bekundet ein-
dringlich die Nähe des sich in ihrer Demut manifestierenden
Willens Gottes,
Lichter Glanz und kostbare Farben erfüllen das Bild, sind ein-
gebunden in jene zierlich elegante und fließend schönlinige
Formensprache des «weichen Stiles», welcher in der Zeit um
1400 nicht nur die Kunst Italiens, sondern nahezu ganz Europas
kennzeichnet.
Die Zuschreibung der Tafel an Lorenzo Monaco und seine
Werkstatt ist allgemein unbestritten. Gelegentlich angezweifelt
wurde jedoch die völlige Eigenhändigkeit des Meisters, so von
Strohmer, jüngst von Eisenberg und Strehlke. Hinsichtlich der
Datierung werden in der neueren Forschung (Eisenberg) Loren
zos Altartafel und Fresken in der Bartolinikapelle in Santa Tri-
nita in Florenz zum Vergleich herangezogen, die zwischen 1420
ınd 1422 entstanden sind.
Lorenzo Monaco wurde als Giovanni di Pietro in Siena geboren.
verließ jedoch seine Geburtsstadt, um sich bei Agnolo Gaddi in
Florenz zum Maler ausbilden zu lassen. Aus dem Jahre 1391
stammt die erste sichere Nachricht über sein Leben: Er trat in
das Kamaldulenserkloster Santa Maria degli Angeli in Florenz
ein, wurde Mönch (Monaco) und nahm den Namen Lorenzo an.
Aus dem Konvent schied er bald wieder aus, um sich stärker der
Malerei widmen zu können, blieb jedoch Mitglied des Ordens.
Als einer der bedeutendsten florentinischen Maler des späten
14. und frühen 15. Jahrhunderts illustrierte er zahlreiche Choral-
bücher mit Miniaturen, schuf Altarwerke für Kirchen in Florenz
und Umgebung sowie Andachtsbilder für private Auftraggeber.
Sein künstlerischer Einfluß wirkte nachweisbar auf Maler wie
Masolino und Starnina. 1423 wird er letztmals urkundlich
erwähnt. U.W
«Gegrüßet seist du, Hochbegnadete! Der Herr ist mit dir!», Lukas 1, 28.
M.Meiss, Painting in Florence and Siena after the Black Death, Princeton 1957
S. 139.
Ausstellungen und Literatur: Seite 146/147