Josef sah sich jedoch nicht allein zu diesem Standortwech-
sel, sondern auch zum Verkauf wertvollster Gemälde
gezwungen. Unter dieser Maßnahme litt der Bestand italie-
nischer Kunstwerke am stärksten. Namen wie Botticelli,
Canaletto, Gaddi, Gentileschi, Guardi, Leonardo, Piero
della Francesca, Savoldo, Tiepolo und Veronese, um nur die
wichtigsten zu nennen, verließen die Sammlungen. Und
doch hat Franz Josef, der ein sehr inniges Verhältnis zur
Kunst hatte, schließlich auch wieder Italiener hinzugekauft
(Kat. Nr. 28, 34 und 51). Seinem Sohn, dem heute amtie-
renden Fürsten Hans-Adam II. (geb. 1945), verdanken
die Sammlungen den jüngsten italienischen Neuzugang —
eine Bronzebüste des Florentiners Massimiliano Soldani
(Kat. Nr. 63), die durch Fürst Johannes II. verkauft wurde
Victor Fleischer, Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein als Bauherr und Kunst-
sammler (1611—1684), Wien und Leipzig 1910, S. 83.
Karl Eusebius entwickelte diesen, seinem Sohn als Ansporn gedachten Ver-
gleich in Verbindung mit dem grundlegenden Umbau des Schlosses Plumenau
in Máhren, für welches er selbst eine grofie, dreigeschossige Prunkfassade im
Stil der Spátrenaissance entwarf und dabei auf Vignolas 1562 verfaBten
Architekturtraktat (s. o.) zurückgriff.
Siehe V. Fleischer, op. cit., S. 37-68.
? Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein, Schlof Vaduz, Inv. Nr. G 729.
Bereits 1687 erwarb Fürst Johann Adam in der Roßau, nordwestlich der Stadt
Wien gelegen, ein Grundstück, um darauf einen Palast mit ausgedehnter
Gartenanlage zu errichten. Er konnte 1705 im Rohbau abgeschlossen werden.
Ausführlich erläutert wird die Entstehung der Bildprogramme bei der künstleri-
schen Ausstattung der Wiener Paläste unter Fürst Johann Adam Andreas in
folgenden Publikationen:
H. Lorenz, Ein «exemplum» fürstlichen Mäzenatentums der Barockzeit. Bau
und Ausstattung des Gartenpalais Liechtenstein in Wien, in: Zeitschrift des
deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, 43 (1989), S. 7-24;
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und unter glücklichen Umständen im Jahre 1993 wieder
zurückerworben werden konnte.
Gemäß ihrer wechselvollen Geschichte? sowie ihrem priva-
ten Status und dem folglich durch sehr persónliche Vor-
lieben und Leidenschaften geprägten Bestand bieten die
Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein zwar keinen
repräsentativen Querschnitt durch die Kunstgeschichte
Italiens, sehr wohl aber facettenreiche und herrliche Ein-
blicke in die wichtigsten ober- und mittelitalienischen
Kunstzentren wie beispielsweise Mailand, Brescia, Vene-
dig, Mantua, Bologna, Florenz, Siena und Rom. Es bleibt zu
hoffen, daß sich diesem vorhandenen Fundus feiner und
feinster Kunstwerke auch in Zukunft weitere Schätze hin-
zugesellen werden.
D.C. Miller, Marcantonio Franceschini and the Liechtensteins. Prince Johann
Adam Andreas and the Decoration of the Garden Palace at Rossau-Vienna,
1991;
F. PolleroB, Utilità, Virtü e Bellezza, Fürst Johann Adam Andreas von Liech-
tenstein und sein Wiener Palast in der Rossau, in: Österreichische Zeitschrift
für Kunst und Denkmalpflege, XLVII, Heft 1/12, 1993, S. 36—52;
H. Lorenz, Zur repräsentativen Raumfolge und Ausstattung der barocken Stadt-
paläste Wiens, in: Barock, Regional-International, Kunsthistorisches Jahrbuch
Graz, 25, 1993, S. 298/99.
* Vgl. Kat. Nr. 35, Anmerkung 1.
? Siehe in: «Liechtenstein. The Princely Collections». The Metropolitan
Museum, New York 1985, S. 8-23.
* Siehe in: «Die Bronzen der Fürstlichen Sammlung Liechtenstein», Liebieghaus,
Frankfurt 1986, S. 230.
G. Wilhelm, Die Fürsten von Liechtenstein und ihre Beziehungen zu Kunst und
Wissenschaft, in: Jahrbuch der Liechtensteinischen Kunstgesellschaft, Schaan
1976, S. 11-179.
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