Kat. Nr. 60
MASSIMILIANO SOLDANI BENZI
(1656-1740)
Nach der Antike
«TANZENDER FAUN» (Florenz, 1695-97)
Bronze, rotbraune Lackpatina
Höhe 138,5 cm
[nv. Nr. S 541
Erworben: 1697 nach Auftrag durch Fürst Johann Adam Andreas I. vom Künstler
Die stehende, nackte Satyrgestalt tritt mit dem rechten Fuß auf
das Kroupezion, ein antikes Musikinstrument in Form einer
Fußklapper. Der schalkhaft lächelnde Kopf des beckenschla-
genden Fauns ist zu Boden gerichtet.
Der Faun mit der Fußklapper zählte zu den berühmtesten Anti-
ken im Besitz der Medici. In der erst 1688 eröffneten Tribuna in
den Uffizien bildete er zusammen mit der nicht minder
geschätzten Venus Medici eine Attraktion ersten Ranges. Von
beiden Werken wünschte Fürst Johannn Adam Andreas I. ori-
ginalgroße Kopien. In diesem Zusammenhang wurde auch über
das geeignete Material zur Verfertigung der Kopien verhandelt.
Fürst Johann Adam, der die Bevorzugung von Bronze durch sei-
nen Vater im Gedächtnis hatte, fand in Soldani einen Geistes-
verwandten, zumal die Bronze sich angesichts der Transportri-
siken anbot. Soldani hob aber auch den ästhetischen Aspekt mit
beredten Worten hervor, als er von der Zartheit und Eleganz der
Konturen sprach («quella tenerezza, € grazia di contorni»). In
dieser Hinsicht seien die Kopien den Originalen ebenbürtig. Bei
der Gelegenheit konnte sich der Bildhauer eines Seitenhiebs
gegen seinen Konkurrenten Foggini nicht enthalten: Die von
diesem für Ludwig XIV. gelieferten Marmorkopien, darunter
auch der Faun mit der Fußklapper, könnten niemals das Maß
an Vorbildtreue wie Bronzekopien erreichen: «non sono, ne
pOSSsOnO mal esser cosi giuste, come saranno queste di bronzo».
Soldani war mit der von Johann Adam getroffenen Auswahl
>ffenbar zufrieden, sah er doch selbst — als Florentiner — die
Venus als «singolare al mondo» und den Faun als «Ja piü bella
statua che si trovi». Nachdem der Künstler die Erlaubnis zum
Abguß der Originale erhalten hatte, wurde zuerst der Faun in
Bronze reproduziert. Der ausgezeichnet gelungene Guß wurde
in Soldanis Werkstatt vom Großherzog persönlich sowie vom
Erbprinzen begutachtet. Die unablässigen Kriege Ludwigs XIV.
verzögerten die Absendung der Bronze, so daß sich Fürst
Johann Adam erst ab Mai 1699 der Bronze erfreuen durfte.
Während der Barockzeit bewunderte man an der antiken Mar-
morfigur des Faun vor allem ihre Lebhaftigkeit, die nicht zuletzt
zin Ergebnis der schon im 16. Jahrhundert vorgenommenen ein-
fühlsamen Restaurierung bzw. Ergänzung von Armen und Kopf
war. In unterschiedlichen Formaten und Materialien, auch in
Porzellan, wurde der Faun zu einer der am häufigsten kopierten
Antiken. Seine Beliebtheit im liechtensteinischen Fürstenhaus
bezeugt auch eine Version in Statuettengröße, die zu einer Serie
von Kopien nach berühmten antiken Bildwerken gehört und
gleichfalls auf Soldani zurückgeht.
Bei der antiken Marmorstatue handelt es sich — wie so oft —- um
eine römische Kopie nach einem hellenistischen Bronzeorigi-
nal. Münzdarstellungen aus dieser Zeit belegen, daß der Faun
ursprünglich keine Einzelfigur war, sondern in einem Ensemble
mit einer sitzenden Nymphe auftrat. Nicht beckenschlagend,
sondern mit schnalzenden Fingern forderte das temperament-
volle Naturwesen seine Partnerin, die gerade ihre Sandalen
löste, zum Tanz auf.
Soldani, der die Bronzefigur nach seinen eigenen Worten mit
größter Sorgfalt dem Original nachgebildet hatte («con tutta la
diligenza immitato 1’originale»), nahm jedoch auch Verände-
ungen vor. Konsequenterweise verzichtete er auf den bei der
Marmorfigur aus statischen Gründen notwendigen Baum:
strunk. Außerdem postierte er die Figur auf eine scharf kontu-
rierte, rechteckige Plinthe, die allerdings, im Gegensatz zum
Marmorvorbild, weniger Rücksicht auf die Rundansichtigkeit
der Figur nimmt. In ihrem pointierten Realismus und aufgrund
der brillanten technischen Ausführung muß die Bronzefigur
ihren Auftraggeber sehr beeindruckt haben. Mit dem Faur
konnte Soldani seine Fähigkeit in der Herstellung von groß.
formatigen Bronzereproduktionen eindrucksvoll unter Beweis
stellen. V.K
Ausstellungen und Literatur: Seite 16