Kat. Nr. 53
GIANFRANCESCO SUSINI (dok. 1610-1653)
«DAVID MIT DEM HAUPTE. GOLIATHS»
(Florenz, um 1625-30)
Bronze, mattbrauner Firnis über rotgoldener Patina
Höhe 30 cm
Auf der Rückseite des Schemels signiert: FRAN. SVSINI FE.
Inv. Nr. S 565
Srworben: vor 1658 vermutlich durch Fürst Karl Eusebius
Ein nur mit einer Drapierung im Lendenbereich bekleideter
Jüngling, der auf einem Schemel sitzt, neigt seinen Kopf zu
zinem monumentalen, bärtigen Haupt, das neben ihm auf dem
Boden plaziert ist. Mit seiner erhobenen Rechten hält der Jüng-
ling ein mächtiges Schwert, dessen Spitze auf den Schemel
gesetzt ist, während er mit der Linken in die Haare des Bärtigen
greift, Das angewinkelte linke Bein ist auf einen am Boden lie-
genden Umhängebeutel gesetzt.
Dargestellt ist der alttestamentliche Hirtenjunge David nach
dem Sieg über den Philister Goliath, den furchterregenden Rie-
sen, gegen den 40 Tage lang keiner der Israeliten zu kämpfen
wagte, Durch einen geschleuderten Stein, der den Riesen an der
Stirn tödlich traf, konnte der Jüngling den ungleichen Gegner
besiegen und so eine Wende im Kampf zwischen Israeliten und
Philistern erreichen (vgl. auch Kat. Nr. 29).
Die äußerst fein und sorgfältig gearbeitete Kleinbronze stammt,
wie die gepunzte Signatur am rückseitigen Schemelrand
bezeugt, von Gianfrancesco Susini, einem Neffen Antonio Susi-
nis, also sozusagen einem Enkelschüler Giambolognas. Wie
auch sein Onkel, dessen Werkstatt er 1624 nach dessen Tod
ibernahm, war Gianfrancesco Susinis Spezialität die Herstel-
ıung von Kleinbronzen. Auch er sorgte für die Reproduktion der
beliebten Kompositionen Giambolognas, doch überwiegen in
seinem Werk Kopien nach antiken Bildwerken. Der Künstler
hatte sich eine Weile in Rom aufgehalten, wo er, wie sein Bio-
graph Baldinucci mitteilt, die berühmten antiken Bildwerke stu-
dierte und kopierte. Bronzegüsse nach diesen Modellen wurden
dann in seiner Florentiner Werkstatt hergestellt. Zu Gianfran-
cescos Kunden gehörten einheimische Sammler, aber auch
Fremde wie Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein. Nur relativ
wenige Werke eigener Invention sind von ihm bekannt. Hierzu
gehört die nur in einem Bronzeexemplar überlieferte liechten-
steinische David-Statuette, vielleicht eine seiner geglücktesten
Arbeiten. Susinis Bronzen zeichnen sich durch eine perfekte
Ausführung und elegante Erscheinung aus. In ihrem gegenüber
den Bronzen Giambolognas oder Antonio Susinis dekorativen
Charakter und den veristischen Details, zum Beispiel den
gekennzeichneten Adern des abgeschlagenen Goliath-Haupts,
zeigt sich der Stilwandel vom Manierismus zum Barock.
Offenbar hatte sich Susini bereits einige Zeit vor der Entstehung
der liechtensteinischen Bronze mit dem David-Thema beschäf-
ägt. Eine skizzenhafte Zeichnung innerhalb eines Traktat-
Manuskriptes über die Proportionen und Bewegungen des
menschlichen Körpers, die er 1618, ein Jahr nach seinem Eintritt
ın die Florentiner Accademia del Disegno, geschaffen hatte,
zeigt bereits eine Darstellung Davids, allerdings kniend und
vekleidet. Auf dieser Zeichnung befinden sich auch Studien von
Schwertgriffen, die sich jedoch von der Form des Schwertes
bei der Bronze unterscheiden. Erhalten hat sich außerdem ein
24,5 cm großes Modell in ungebranntem Ton, das in der Biblio-
teca Nazionale in Florenz aufbewahrt wird (Ausst. Kat. Wien
978, Nr. 249). Es gehört zu den wenigen erhaltenen Bozzetti
für Kleinbronzen. Von der Bronzeversion unterscheidet es sich
vor allem durch seine rechteckige Basis und die Haltung der
‘echten Hand des Jünglings. Ansonsten sind in dem Modell die
Details bereits recht genau festgelegt.
Es gibt von Susini neben der liechtensteinischen noch eine wei-
'ere Bronze, die das David-Thema illustriert; eine erst vor weni-
gen Jahren auf dem Kunstmarkt aufgetauchte Figur (Pratesi
‚993, Abb. 616). Hier erscheint der junge Held jedoch stehend
ınd völlig nackt, den abgeschlagenen Kopf Goliaths, der auf
einem Baumstumpf gelagert ist, nachdenklich betrachtend.
Mit seinen David-Statuetten steht Susini in der Tradition dieses
N Florenz seit dem frühen 15. Jahrhundert bedeutenden
Themas. In jener biblischen Gestalt, die sich durch ihren Mut
auszeichnete, ließ sich exemplarisch der Freiheitswille der
Stadtrepublik demonstrieren. Während sich in den berühmten
Bildwerken der Renaissance — zum Beispiel von Donatello und
Michelangelo —, der jugendliche Held vorrangig als Triumpha-
or präsentiert, zeigen spätere Formulierungen überwiegend
den nachdenklichen Sieger. Kontemplativ wendet sich Susinis
liechtensteinischer David dem Haupt des Opfers zu; trotz des
vorausgegangenen grausamen Geschehens herrscht eine fast
poetische Stimmung. Vorbildlich für diese inhaltliche Akzent-
verschiebung waren Formulierungen in der Malerei. An erster
Stelle ist hier Caravaggios thematisch entsprechendes Gemälde
An der Galleria Borghese in Rom zu nennen, aber auch Orazio
Gentileschis kleine Kupfertafel in der Berliner Gemäldegalerie.
3ei der liechtensteinischen Bronze wird der ambivalente Cha-
:akter der Darstellung durch das in deutlichem Kontrast zu dem
zarten Jünglingskörper stehende Schwert Goliaths unterstri-
chen, mit dem David dem Riesen das Haupt abgeschlagen hatte.
Jurch die Einbeziehung des Schemels, eines Renaissance-
5gabello, erhält die Bronzegruppe eine etwas genrehafte Note.
Eine Replik in Elfenbein, die Balthasar Stockamer zugeschrie-
ben wird, befindet sich im Museo degli Argenti im Palazzo Pitti
in Florenz. V.K
\usstellungen und Literatur: Seite 159