Volltext: Fünf Jahrhunderte italienische Kunst aus den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

Kat. Nr. 52 
GIAMBOLOGNA (1529-1608) 
«GROSSHERZOG FERDINANDO 1. DE’ MEDICI 
ZU PFERDE» (Florenz, um 1600) 
Bronze, braune Patina, Reste braunen Lacks 
Höhe 64 cm 
Auf dem Sattelgurt bezeichnet: IOAN. BOLO. BELG. 
Inv. Nr. S 575 
Erworben: in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch Fürst Joseph Wenzel 
In majestätischer Haltung, mit leicht zur linken Seite gewende- 
tem Haupt, präsentiert sich der gerüstete Reiter auf einem gesat- 
telten, schreitenden Pferd mit wallender Mähne. In seiner erho- 
benen Rechten hält er einen Kommandostab, während er mit der 
Linken die Zügel umfaßt. An der linken Seite trägt er ein 
Schwert, rechts einen Dolch. Um den Oberkörper des Reiters ist 
eine Schärpe gelegt, deren Enden in der Luft flattern. Um die 
Schultern trägt der Reiter eine Collane, an der das Kreuz des 
Santo Stefano-Ordens hängt. Die Reitergruppe ist auf einer 
knapp bemessenen, ovalen Standfläche montiert. 
Die prachtvolle Figurengruppe gehört zu den wenigen Bronzen, 
die Giambolognas Signatur tragen. Unter den zahlreichen Pla- 
stiken der liechtensteinischen Sammlung, die mit Giambologna 
in Verbindung zu bringen sind, bildet sie den glanzvollen Höhe- 
punkt. Erst im 18. Jahrhundert gelangte das Werk in die Samm- 
lung. Es dokumentiert einen wichtigen Bereich im Schaffen des 
bedeutendsten Bildhauers der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun- 
derts, seine Tätigkeit als Schöpfer von Reitermonumenten, 
wobei er für diese Gattung entwicklungsgeschichtlich bedeut- 
same Akzente gesetzt hatte. 
Seit der Renaissance nahmen Reiterstandbilder die höchste 
Stufe in der Rangskala der Bildnisformen ein. Reiterporträts 
sind zeittypischer Ausdruck herrscherlichen Selbstbewußt- 
seins. Etwas später als die monumentalen Bildwerke kamen 
auch Reiterstandbilder in Statuettengröße in Mode, sei es als 
Reduktionen großformatiger Werke oder auch als Original 
schöpfungen in Kleinformat. Sie eigneten sich bestens als diplo- 
matische Geschenke. Als Inspirationsquelle diente für Renais- 
sancekünstler besonders das Reiterstandbild des Marc Aurel, 
sine der wenigen erhaltenen Großbronzen der Antike. Auch 
Giambolognas 1594 errichtetes Reitermonument für Cosimo I. 
auf der Piazza della Signoria in Florenz, das erste seiner monu- 
mentalen Reiterstandbilder und zugleich das erste Reiterstand- 
bild in Florenz, das im Auftrag von Cosimos Sohn und Thron- 
folger Ferdinando entstanden war, läßt den Einfluß des 
berühmten antiken Bildwerks erkennen. Dies gilt sowohl für den 
Reiter mit seinem altrömischen Umhang, dem Paludamentum, 
als auch für die Darstellung der Pferdefigur. 
Vom Cosimo-Monument läßt sich die liechtensteinische 
Bronze ableiten, die in ihrer Form grundsätzlich nur geringfügig 
von der Monumentalbronze abweicht. Abgesehen von den 
unterschiedlichen Größen und den verschiedenen Bildnisköpfen 
ist es eigentlich nur das Detail der Schärpe, worin sich die Sta- 
tuette und das Reitermonument unterscheiden. Giambologna 
verzichtet bei der Charakterisierung des Dargestellten keines- 
wegs auf veristische Züge. Ferdinando wird in seiner Individu- 
alität treffend erfaßt, was die ungeschlachte Gestalt ebenso wie 
die recht gewöhnlichen Gesichtszüge einschließt. Einen ande- 
ren Typus, der insgesamt bewegter ist, vertritt hingegen das Rei- 
terstandbild für Ferdinando I. auf der Piazza SS. Annunziata in 
Florenz, das 1601-1608 in der Werkstatt Giambolognas ent- 
stand und nach dem Tod des Meisters von dessen Werkstatt- 
erben Pietro Tacca vollendet wurde. 
Eine Zahlungsnotiz im Florentiner Staatsarchiv vom Mai 1600 
könnte sich mit der liechtensteinischen Bronze in Verbindung 
bringen lassen. Im Auftrag des Großherzogs erhielt der Bron- 
zegießer Fra Domenico Portigiani eine Zahlung für ein «caval- 
uno con figura». Wahrscheinlich ist diese Arbeit mit einer 
Bronze identisch, die Anfang 1602 im Nachlaßinventar des 
Bronzegießers genannt wird. Der spätere Verbleib dieses Werks 
!äßt sich nicht klären. 
Die liechtensteinische Bronze entstand zu einem Zeitpunkt, 
als Giambologna mit zahlreichen großen Projekten beschäftigt 
war. Der betagte Meister verfügte über eine große, gut organi- 
sierte Werkstatt, in der seine Werke sozusagen als Gemein- 
schaftsarbeiten entstanden. Inwieweit die Arbeitsteilung gerade 
bei den Reiterstandbildern praktiziert wurde, läßt sich auch 
daran ermessen, daß Entwurfszeichnungen von Malern, wie 
zum Beispiel von Ludovico Cardi, genannt Il Cigoli, benutzt 
wurden. In Anbetracht dieser Voraussetzung muß die Signatur 
vei der liechtensteinischen Bronze nicht zwangsläufig auch ein 
Kriterium für die eigenhändige Ausführung durch den Meister 
sein, sondern eher als Markenzeichen angesehen werden, das 
für die Qualität der Ausführung garantierte und für den zukünf- 
tigen Besitzer des Werkes einen besonderen Wert haben 
mußte. Durch Giambolognas Werkstattpraxis lassen sich bei 
der liechtensteinischen Bronze auch Veränderungen gegenüber 
dem Cosimo-Monument erklären, vor allem die hinzugefügte 
Schärpe, deren unmotivierte Bewegtheit in Kontrast zu der steil 
aufgerichteten, etwas behäbigen Reiterfigur steht und sich 
eigentlich nicht mit der sonst sehr konzentrierten Formen- 
sprache Giambolognas vereinbaren läßt. Es ist davon auszu- 
gehen, daß für dieses Detail einer seiner Mitarbeiter verant- 
wortlich war. 
Wahrscheinlich war die äußerst sorgfältig ausgearbeitete 
Bronze, in der das ursprünglich für eine Platzanlage konzipierte 
Reiterstandbild in ein delikat ausgearbeitetes Kabinettstück für 
zinen Repräsentationsraum umgewandelt wurde, als ein beson- 
deres Geschenk konzipiert. Ob der Anlaß die im Oktober 1600 
orfolgte Verlobung von Ferdinandos Nichte Maria mit Henri IV. 
von Frankreich war, wie Hecht kürzlich postulierte, muß aller- 
dings offen bleiben. Dieses für die Geschichte des Hauses 
Medici so wichtige dynastische Ereignis hätte durch ein solch 
orachtvolles Geschenk sicherlich eindrucksvoll verherrlicht 
werden können. V.K. 
Ausstellungen und Literatur: Seite 158/159
	        

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