U
Verbrauchern durch die AGB noch verstärkt wird.!® Weiters beruht die typische
generelle Gefährdung des Vertragsgleichgewichts durch AGB auf deren massenhafter
gleichförmiger Verwendung, auf ihrer weiten, in zahlreichen Branchen einheitlichen
Verbreitung, die dem Vertragspartner häufig nur noch die Abschlussfreiheit als solche
belässt.164
7.1 Vor Inkrafttreten des EWRV
Das derzeit gültige liechtensteinische Recht kennt keine spezielle Rechtsvorschrift, die
die Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen erfasst. Die in Österreich durch
das Konsumentenschutzgesetz (KSchG) 1979 ins ABGB eingeführten 88 864a und 879
Abs 3 fanden im liechtensteinischen ABGB keine Entsprechung. Es gibt auch keine
höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbe-
dingungen.
In der Schweiz, die sich in einer vergleichbaren Situation befindet, hat die Gerichtsprax1s
schon verschiedentlich auf die Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen
reagiert, indem sie - ausgehend vom Grundsatz von Treu und Glauben (Art 2 ZGB, dem
Art 2 SR bzw. Art 2 PGR entsprechen) - gewisse Anforderungen an die Verbindlichkeit
des Einbezugs von AGB in den Individualvertrag stellte. Diese Rechtsprechung ist vor
allem im Bereich der Gerichtsstandsklauseln entwickelt worden. Anerkannt ist in diesem
Sinne namentlich die "Ungewöhnlichkeitsregel" (vgl. $ 864a öABGB), wonach eine
Vertragsklausel, mit welcher der akzeptierende Partner vernünftigerweise nicht rechnen
musste, unverbindlich bleibt. Bei der Auslegung von AGB hat ferner das
Vertrauensprinzip im AGB-Bereich die sogenannte "Unklarheitenregel"(vgl. 8 915 Fall 2
ABGB) hervorgebracht, wonach zweideutige Klauseln zulasten desjenigen zu
interpretieren sind, der sie aufgestellt hat. Darüber hinaus ist aber der Schutz des Kunden
vor unbilligen AGB wenig effizient. Es gilt im wesentlichen immer noch der Grundsatz,
dass, wer AGB - auch wenn er sie nicht gelesen, geschweige denn geprüft hat
akzeptiert, sie vorbehaltlos anerkennt. !°>
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Vertragspartner des AGB-Verwenders nach
Treu und Glauben damit gerechnet haben muss, dass dieser Verträge nur unter
Einbeziehung seiner AGB abschliesst. Darüber hinaus muss für ihn die Möglichkeit
bestanden haben, vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. Dem Konsumenten ist
entweder der AGB-Text zu übergeben oder durch einen unübersehbaren Aushang in den
Geschäftsräumen die Gelegenheit zu bieten, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen. !°®
Der Grundsatz von Treu und Glauben rechtfertigt zudem die einschränkende Auslegung
der besonders in AGB verbreiteten Haftungsbeschränkungen im Wege sogenannter
Freizeichnungsklauseln. !°7
Die richterliche Kontrolle ist insgesamt jedoch ein unzulängliches Instrument. Sie hat
nämlich die Schwäche, dass sie jeweils nur bezüglich einzelner Klauseln und nur mit
Wirkung für den Einzelfall erfolgt, mit erheblichen Unsicherheiten belastet ist und zudem
nur eingreift, wenn ein betroffener Kunde einen Prozess mit dem Unternehmer riskiert. 168
163 Von Hippel, 119.
164 Stein, AGB-Gesetz, 3.
165 Dessemontet, 442.
166 Feldges, 43 und 44.
167 Merz H., Art 2 ZGB, in: Berner Kommentar, Einleitungsband Art 1 - 10 ZGB, Bern 1966, N 178 zu
Art 2 ZGB.
168 Von Hippel, 127.