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Es besteht eine enge Verflechtung zwischen dem VVG als Spezialgesetz und dem
gemeinen Zivilrecht.2% Gemäss Art 100 Abs 1 VVG (idF LGBI. 1941 Nr. 14) gilt
subsidiär das ABGB , wenn das VVG eine Frage nicht regelt.
In der Schweiz sind auch die Einleitungsartikel des ZGB (Art 1 - 10 ZGB) auf den
Versicherungsvertrag anwendbar, weil das OR in seiner revidierten Form (das aufgrund
von Art 100 sVVG subsidiär gilt) Bestandteil des ZGB ist.?*7
Es stellt sich die Frage, ob in Liechtenstein analog die Art 1 - 4, 5 Abs 1, 6 und 7 SR, die
den Art 1 - 4 und 7 - 9 OR entsprechen, auf den Versicherungsvertrag anwendbar sind.
Es ist fraglich, ob die vereinfachte Kundmachungsform für das VVG ausreichend ist,
auch wenn dieses keine Strafbestimmungen enthält (vgl. den Exkurs in Kapitel 4.1: Urteil
des StGH zur mangelnden Kundmachung zum ANAG).
Das VVG regelt einen privatrechtlichen Vertrag, dessen Kernstück das
Versicherungsverhältnis ist, das zwischen dem Versicherer einerseits sowie dem
Versicherungsnehmer und Versicherten andererseits besteht.?*®
Was unter einem Versicherungsvertrag zu verstehen ist, sagt das VVG nicht. Die
schweizerische Rechtswissenschaft und Rechtsprechung stimmen im grossen und ganzen
in der Umschreibung der Merkmale des Versicherungsvertrages überein: ?®?
Der Versicherungsvertrag ist ein selbständiger Vertrag, bei dem die eine Partei der
anderen gegen Entgelt eine Vermögensleistung für den Fall verspricht, dass ein
Gegenstand (Person, Sache, Vermögen) durch ein Gefahrenereignis betroffen wird.?
Das VVG gewährt dem Versicherungsnehmer verschiedene Rechte (vgl. Art 41, 44, 46
Abs 2, 47, 50 Abs 2, 62, 63, 65 Abs 2, 88, 96). Besonders zu erwähnen sind die Art 11,
der relativ zwingendes Recht darstellt, und die dispositiven Art 36 und 89.
Art 11 Abs 1 verpflichtet den Versicherer, dem Versicherungsnehmer eine Police
auszuhändigen, welche die Rechte und Pflichten der Parteien feststellt.
Art 36 zählt die Fälle auf, in denen der Versicherungsnehmer - vorbehaltlich einer
anderen Regelung - berechtigt ist, vom Vertrag zurückzutreten und sieht die
Rechtsfolgen hierfür vor. Ziff 1 des Art 36 Abs 1, die das Rücktrittsrecht vorsieht, wenn
dem Versicherer die Bewilligung zum Geschäftsbetrieb nach Art 40 Abs 1 VAG 1978
(das in Liechtenstein nicht gilt) entzogen worden ist, muss wohl dergestalt ausgelegt
werden, dass darunter die Entziehung der Bewilligung durch die Regierung, die gemäss
Art 596 PGR für die Errichtung einer konzessionierten Versicherungsunternehmung die
Genehmigung zu erteilen hat, zu verstehen ist.
Art 89 räumt dem Versicherungsnehmer das Recht ein, vom Lebensversicherungsvertrag
zurückzutreten und die Bezahlung weiterer Prämien abzulehnen, vorausgesetzt, er hat
die Prämie für ein Jahr entrichtet, und es ist vertraglich nichts anderes vereinbart.
Für den Versicherungsvertrag besteht Privatautonomie (vgl. $ 879 ABGB). Die
Vertragsfreiheit wird aber in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt:
Einerseits enthält das VVG absolut zwingende (Art 97 Abs 1) und relativ zwingende
Bestimmungen (Art 98 Abs 1). Alle in Art 97 und 98 nicht aufgeführten Bestimmungen
stellen dispositives Recht dar.
Andererseits geschieht die Einschränkung durch die Regierung als Aufsichtsinstanz (Art
596 PGR). Sie hat unter anderem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu prüfen.
246 Maurer, 130.
247 Kuhn, 53.
248 Maurer Alfred, 130.
249 Kuhn Moritz, 8.
250 Maurer, 167