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Kritik
A
Sonderbundskrieg die liberal dominierten Kantone die Oberhand gewän-
nen, und dass auch in Deutschland das liberale Prinzip stärker werde.
Nun, die liechtensteinische Obrigkeit, welche die Geschichtsschreibung
des «Demagogen» Kaiser für nicht akzeptabel hielt, hat das Werk diskredi-
tiert. Noch um 1900 wurde das Buch, wie schon erwähnt, «von den Lan-
desbehörden als verfemt betrachtet und die Exemplare nach Möglichkeit
eingesammelt».*8° Über Peter Kaiser und sein Buch durfte, wie sein Bio-
graph Rupert Ritter, der 1900 geborene nachmalige Präsident des fürstlich
liechtensteinischen Staatsgerichtshofes bezeugt,‘* noch während der
ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts in der Volksschule nicht gespro-
chen werden. Über Person und Werk Kaisers wurde, wenn auch ohne dau-
ernden Erfolg, die damnatio memoriae verhängt.
In der zeitgenössischen wissenschaftlichen Forschung des benachbarten
Auslandes hat die «Geschichte» wenig Spuren hinterlassen.**? Dies nicht
etwa darum, weil das Werk der Kritik nicht standgehalten hátte, sondern
in erster Linie wegen der auf Liechtenstein beschränkten Thematik, die im
Ausland kaum breites Interesse finden konnte, und wegen des mangeln-
den Apparates und der fehlenden Quellenbelege. Immer wieder stösst
man in der historiographischen Literatur des 19. Jahrhunderts auf Anmer-
kungen, die Kaiser als Belegstelle anführen, meist mit dem Zusatz, dass
der Autor keine Quellenangabe mache. Der Vorarlberger Historiker Josef
Ritter von Bergmann 4 mit Kaiser seit der Schulzeitin Feldkirch bekannt,
begrüsste das Werk voll des Lobes als «musterhaftes Buch», bedauerte
aber zugleich das Fehlen des Apparates als schwerwiegendes Manko. Das
Werk gebe nicht nur «genaueste Kunde» über die Landschatt Liechten-
stein, «sondern wir lernen so Vieles mit über die Umgegend in schóner,
stets gleichgehaltener historischer Form kennen. Sein Buch ist ein Opus
480. RITTER: Kaiser, S. 34. angrenzenden Gebiete, besonders in der àlte-
481. RITTER: Kaiser, S. 34. — Rupert Ritter sten und älteren Zeit. IN: Denkschriften der
(1900—1975), aus Mauren. kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
482. Die bayerische Hofbibliothek schaffte — Phil.-hist. Klasse, Bd. 4, Wien 1853, S. 135 f.
das Buch 1868 an. — Josef Gabriel RHEINBER- 485. Peter KAISER: Geschichte des Fürsten-
GER: Briefe und Dokumente seines Lebens. thums Liechtenstein. Nebst Schilderungen aus
Hrsg. von H. Wanger und H.-J. Irmen, Bd. 3 — Chur-Rátien's Vorzeit. Neu hrsg. von Arthur
(1983), S. 8, Brief Fanny Rheinbergers an Joh. Brunhart. Vaduz: (Vertrieb Historischer Verein)
Peter Rheinberger München, 15. Oktober 1989. 2 Bànde. Bd. 1: Geleitwort von Alois
1868. Ospelt, Einleitung von Arthur Brunhart, Lite-
483. Stadtbibliothek Feldkirch,PalaisLiech- ^ raturverzeichnis Peter Kaiser, Text der 1. Auf-
tenstein: «Liber calculorum» des Gymnasiums — lage 1847; Bd. 2: Vorwort von Arthur Brunhart,
Feldkirch. Biogr. Angaben zu Bergmannin C.v. — Wissenschaftlicher Apparat zum Text, Litera-
WURZBACH: Biographisches Lexikon des Kai- _ turverzeichnis, Stammtafeln.
serthums Osterreich, Bd. 2 (1856), S. 313—316. 486. KAISER: Geschichte des Flirstenthums
— Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 2 Liechtenstein, hrsg. von A. Brunhart, Bd.2, Ein-
(1875), 5. 392—395. — Ósterreichisches Biogra- leitung. — Vgl. auch die Ausleihelisten der
phisches Lexikon, Bd. 1 (1957), S. 74. Bibliothek der Geschichtsforschenden Gesell-
484. Josef BERGMANN: Beiträge zu einer schaft Graubündens im Staatsarchiv Graubün-
kritischen Geschichte Vorarlbergs und der den.