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Resonanz
Liechtenstein von 1712 bis 1818 und insbesondere die Rolle und Regie-
rungsart der Fürsten und ihrer Beamtenschaft, die, wie ein böses zeitge-
nössisches Schlagwort lautete,*® eine «böhmische Sklaverei» errichten
wollte. Manchen Kapiteln folgen Ausführungen zur rechtlichen, wirt-
schaftlichen, sozialen und kulturellen Situation von Land und Leuten.
Gerade diese Textstellen verdienen Interesse, da sie nicht nur politisch-
militärisch ausgerichtet sind, sondern durchaus moderne Fragestellun-
gen im Sinne einer «Geschichte von unten» berühren.
Wie das Werk von der liechtensteinischen Bevölkerung aufgenommen
worden ist, wissen wir nicht. Die ablehnende Reaktion der liechtensteini-
schen Behörde, die Beschlagnahmung des «seichten Produkts», ist umso
interessanter, als Kaiser dem Landvogt Johann Michael Menzinger, einem
Mitschüler der Feldkircher Zeit, am 17. November 1847 «zum Zeichen sei-
ner Hochachtung» ein ganz besonderes Exemplar widmete und ihn mit
einem Anflug von Ironie bat, das Buch «mit derjenigen Gesinnung anzu-
nehmen, mit welcher es Ihnen geboten wird»."? Wenn Menzinger das
«Werklein» gelesen habe, «bitte ich Sie, mir zu sagen, ob es dem Fürsten
angenehm sein kónnte, wenn ihm vom Verfasser ein Exemplar zuge-
schickt würde. Das Motto, welches im dritten Buch steht, findet sich nur in
Ihrem Exemplar; ich habe es aus den übrigen Exemplaren wegnehmen
lassen, weil es falsch hätte gedeutet werden können. Mir scheint es
unschuldig». Der Psalm 123, Vers 4 lautet: Multum repleta est anima
nostra; opprobrium abundantibus et despectio superbis, d.h. Übergenug
verkostet hat unsere Seele vom Gespött (Schmähung) der Satten und vom
Hochmut der Herrschenden (Stolzen); eine klare politische Aussage mit
deutlicher Spitze. Der Brief schliesst mit der bewusst angefügten und auf
die Situation in Liechtenstein gemünzten Bemerkung, dass im Schweizer
478. KAISER: Geschichte des Fürstenthums
Liechtenstein, hrsg. von A. Brunhart, Bd. I,
S. 499.
479. Zur Sache siehe Rudolf RHEIN-
BERGER: Ein besonderes Exemplar der
Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein
Menzinger eine dem Brief beilie-
gende Sonderausgabe seiner «Ge-
schichte des Fürstenthums Liech-
tenstein». In dieses Unikat liess
von Peter Kaiser. IN: Festgabe für Alexander
Frick zum 75. Geburtstag. Hg. von Robert ALL-
GAÀUER. Schaan 1985, S. 264—269. — Der Brief
findet sich als photographische Reproduktion
auch in KAISER: Geschichte des Fürstenthums
Liechtenstein, hrsg. von A. Brunhart, Bd. 1,
S. XIV f.
Brief Peter Kaisers an Landvogt
Johann Michael Menzinger vom
17. November 1847. Kaiser schickt
Kaiser den Psalm: «Multum repleta
est anima nostra; opprobrium ab-
undantibus et despectio superbis»
(Psalm 123, Vers 4) drucken. Diese
zweifellos politisch gemeinte Spit-
ze plazierte Kaiser an den Anfang
des dritten Buches seiner «Ge-
schichte», das die Geschicke des
Landes seit dem Regierungsantritt
des fürstlichen Hauses Liechten-
stein (1699/1712) umfasst.