Wahl zum
Abgeordneten
Der Vorschlag Kaisers zielte insgesamt darauf hin, im Rahmen einer den
liechtensteinischen Bedingungen und Besonderheiten angepassten Ver-
fassung den Bürgern Recht und Freiheit zu gewährleisten. Schlagworte
wären: Wiederherstellung der politisch-demokratischen Grundlagen wie
vor 1809 — damals waren im Gefolge einer umfassenden Reorganisation
der Landesverwaltung verschiedene einschneidende Gesetze in Kraft
getreten — bescheidene Verwaltung, Selbstverwaltung. Der Fürst sollte
kein absolutes Vetorecht mehr besitzen.
Nun, der Verfassungsrat übernahm den Entwurf Peter Kaisers trotz der
Einwände Menzingers in wesentlichen Punkten. Was wunder, dass die
fürstliche Hofkanzlei den am 1. Oktober 1848 vorgelegten Verfassungs-
vorschlag heftig kritisierte — der Verfasser sei ja der «ohnehin bekannte
Professor Kaiser»! Der Entwurf sah vor, die höchste Gewalt in Fürst und
Volk zu vereinen. Der Fürst sollte den Landesverweser ernennen können,
das Parlament in der Gesetzgebung höchste Gewalt besitzen. Am 7. März
1849 erliess Alois II. die «Übergangsbestimmungen für das konstitutio-
nelle Fürstentum Liechtenstein», ein Provisorium, das später durch eine
eigentliche Verfassung ersetzt werden sollte. Es dauerte jedoch über ein
Jahrzehnt, bis Fürst Johann II. am 26. September 1862 eine konstitutionelle
Verfassung für Liechtenstein unterzeichnete. Der Fürst blieb weiterhin
souverän, war jedoch künftig an eine Verfassung gebunden.
Unterdessen hatten Ende April 1848 auch die Wahlen der Abgeordneten
in die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt stattgefunden. In
Liechtenstein wurde — es war nicht anders zu erwarten — Peter Kaiser zum
Landesrepräsentanten bestimmt.“° Er akzeptierte die Wahl unter der
Bedingung, dass er dafür Urlaub vom Schuldienst in Chur erhalte. Am
138 14. Mai erfolgte seine Verabschiedung auf dem Kirchplatz Vaduz. Inschrif-
409. Zit. nach GEIGER: Geschichte Liech-— Nationalversammlung im Frühjahr 1848. Ber-
tensteins 1848—1866, S. 117.
410. GEIGER: Geschichte Liechtensteins
1848—1866, S. 84. Bei der Wahl vom 25. April
1848 wurde Karl Schádler zu Kaisers Stellver-
treter gewählt. — Vgl. auch GEIGER: Politisches
Wirken P. Kaisers, S. 35 f.
411. KIND: Kaiser, S. 29. — Kaiser erhielt für
die Reise nach Frankfurt 303 fl. ausbezahlt;
Archiv der Familie Rheinberger Sign. F 15:
Notizbuch J. P. Rheinberger, S. 14 sub «May 14».
— Zur Wahl und Tátigkeit Kaisers in Frankfurt
grundlegend Peter GEIGER: Geschichte Liech-
tensteins 1848—1866, S. 83 ff. — Peter GEIGER:
Geschichte Liechtensteins in der Paulskirche.
IN:Erinnerung an Peter Kaiser und Karl Schád-
ler. Feier in der Paulskirche zu Frankfurt. Vaduz
1984. (Liechtensteinische Akademische
Gesellschaft. Kleine Schriften 9), S. 5—31. —
Karl OBERMANN: Die Wahlen zur Frankfurter
lin 1987, S. 277. — Franz WIGARD (Hrsg): Ste-
nographischer Bericht über die Verhandlun-
gen der deutschen constituierenden National-
versammlung zu Frankfurt am Main. Bd. 5.
Frankfurt/Main 1848.
412. Zit. nach GEIGER: Geschichte Liech-
tensteins 1848—1866, S. 85.
413. Zit. nach Gerard BATLINER: Liechten-
stein und die europäische Integration. Vaduz
1984 (Kleine Schriften 14), S. 6.
414. Zit. nach GEIGER: Geschichte Liech-
tensteins 1848—1866, S. 126.
415. Er reichte nur einen schriftlichen
Antrag auf Erleichterung des landwirtschaftli-
chen Handelsverkehrs zwischen den deut-
schen Staaten ein. Der Antrag ging in eine
Kommission und blieb ohne Erfolg. — Im
Nachlass von Christian Friedrich Wurm, Kai-
sers Freund und Briefpartner seit der Lehrtä-