ESSEN ETW ENTE
Wie sah das Verhältnis zwischen Land-
tag, Fürst und Regierung aus? Bei der
Aufgeschlossenheit, Grosszügigkeit und
politischen Zurückhaltung von Fürst
Johann Il., der von 1859 bis 1929 regier-
te und zwei Verfassungen gab, erstaunt
das immer gute Verhältnis zwischen
Landtag und Fürst nicht. Dabei nahm
der Fürst seine legislativen Rechte
durchaus wahr, indem er gelegentlich
einem Landtagsbeschluss die Sanktion
(Genehmigung) versagte. Der Landtag
hatte allerdings in erster Linie mit der
Regierung, das heisst mit dem Landes-
verweser zu tun, der regelmässig ein
vom Fürsten bestellter Jurist oder Ver-
waltungsfachmann aus öÖsterreichil-
schem Adel war. Die nebenamtlichen
liechtensteinischen Regierungsmitglie-
der, die zwei Landräte, wurden wenig
zur Regierungsarbeit herangezogen.
Das ehemalige «Stän-
dehaus» (zwischen
Landesmuseum und
«Engländerbau»). 1917/18 begann in Liechtenstein erneut
Westfassade nach ; . . .
Plänen von Peter eine Zeit der Weiterentwicklung von
Rheinberger, 1866 Verfassung, Volksvertretung und Volks-
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rechten, eine Zeit, die wieder revolutio-
näre Züge trug. Es entsprach ganz der
Logik der stärker aufkommenden demo-
kratischen Idee, dass 1918 die indirekte
Wahl zum Landtag durch die direkte ab-
gelöst, die Kontrolle der Regierung ge-
sucht, die Herabsetzung des Wahlalters
von 24 auf 21 Jahre angestrebt und
schliesslich 1921 mit Initiative und Refe-
rendum Volksabstimmungen eingeführt
wurden. Wiederum erwies sich gerade
die Volksvertretung als Instrument
der Veränderung. In den letzten Tagen
des Ersten Weltkrieges griff überall in
Europa die Revolution um sich, sie stürz
te unter anderem die deutsche und die
österreich-ungarische Monarchie, und
ihre Wogen schwappten auch nach
Liechtenstein über. Am 7. November
1918 setzte der liechtensteinische Land
tag den ungeliebten fürstlichen Lan-
desverweser von Imhof kurzerhand ab
und ernannte ein dreiköpfiges Komitee,
das provisorisch die Regierung führte.
Diesen klar verfassungswidrigen Putsch
fing der beliebte Fürst Johann Il., der
seit 60 Jahren regierte, geschickt auf,
indem er auf die Begehren des Landtages
einging und das Land auf den Weg der
Verfassung zurückführte.
Der Übergang zu einer neuen politi-
schen Ordnung, wie sie die Verfassung
von 1921 besiegeln sollte, gelang,
ohne wie anderswo die gewachsenen
Grundlagen des Staates zu gefährden.