Unser Staat + Das Fürstentum Liechtenstein Die Verfassung - das Grundgesetz‘ 2
Oben: Fürst Johann Il.
unterzeichnete am
26. September 1862
die neue konstitutio-
nelle Verfassung auf
Schloss Eisgrub.
Mit dieser Verfassung
trat Liechtenstein
endgültig in den Kon-
stitutionalismus ein.
Unten: Der Landesver-
weser Karl von Hausen
arbeitete 1861 einen
neuen Verfassungs-
entwurf aus.
Nun wurde er auf einem ausserordent-
ichen Landtag den Landständen zur
Beratung und Annahme vorgelegt. Doch
die Landstände lehnten die Plenums-
oeratung des fürstlichen Verfassungs-
antwurfes ab. Ein landständischer
Verfassungsausschuss arbeitete den
‘ürstlich-hausenschen Entwurf um, inderr
ar auf den 1848er Entwurf zurückariff.
ım Laufe des folgenden Jahres führte
das Hin und Her zwischen von Linde,
dem Fürsten, dem Landesverweser und
den Landständen zu Kompromissen.
ın den Rechten der Volksvertretung blie-
ben die Landstände weitgehend unnach
giebig.
Am 2. September 1862 nahm der land-
ständische Landtag die vereinbarte
Verfassung an. Mit der Unterzeichnung
durch Fürst Johann Il. auf Schloss
Eisgrub am 26. September 1862
trat die neue konstitutionelle
Verfassung in Kraft.
Betrachten wir die Volksvertretung, wie
sie 1862 geregelt wurde. Das monar-
chische Prinzip, das Übergewicht des
Fürsten gegenüber dem Volk und des-
sen Vertretung, ist gewahrt: 5 2 sagt
deutlich: «Der Landesfürst . . . vereinigt
in sich alle Rechte der Staatsgewalt.»
In der Ausübung dieser Staatsgewalt
war der Fürst an die Verfassungsbestim-
mungen gebunden, insbesondere an die
Mitwirkungsrechte der Volksvertretung.
Der 715köpfige Landtag vertrat als
«gesetzmässiges Organ der Gesamtheit
der Landesangehörigen» das Volk gegen-
über der Regierung (8 39). Drei Mit-
glieder des Landtages wurden vom Für-
sten ernannt. Nach der in der Verfassung
von 1862 enthaltenen Wahlordnung
(88 55—88) wählte das Volk in indirekte‘
Nahl: In jeder Gemeinde erkoren die
Wahlberechtigten zwei Wahlmänner pro
100 Einwohner. Die Wahlmännerver-
sammlung wählte darauf die zwölf
Volksvertreter. Das Land bildete sonach
einen einzigen Wahlkreis, Gemeinden
und Landschaften waren in der Wahl-
männerversammlung proportional zu
‘hrer Einwohnerzahl vertreten.
Der Landtag hatte mit dem Fürsten
theoretisch gleichen Anteil an der Gesetz:
gebung. Ohne Mitwirkung und Zustim-
mung des Landtages konnte kein Gesetz
zustandekommen; der Landtag besass
wie der Fürst das Recht der Gesetzes-
initiative; der Zustimmung des Landtages
unterlagen alle Steuern und Abgaben
sowie die Aushebung des Bundeskontin-
gentes. Ebenso waren Staatsrechnung
und Budget der Prüfung und Zustim-
mung durch den Landtag vorbehalten.
An der auswärtigen Gewalt war der
_andtag insofern beteiligt, als wichtige
Staatsverträge die Zustimmung des
!andtages erforderten.
Die vom Fürsten ernannte Regierung
setzte sich aus dem Landesverweser als
Regierungschef, zwei auf 6 Jahre aus
der liechtensteinischen Bevölkerung
genommenen «Landräthen» und dem
Regierungssekretär zusammen.