Die Freiherren von
Brandis erhielten vom
Kaiser den «Blutbann»
verliehen, das Recht,
über Leben und Tod zu
richten.
Die «Brandisische Frei-
heiten» genannten, als
Reichslehen erteilten
Rechte bestimmten im
wesentlichen die «alte
Ordnung», die Verfas-
sung unseres Landes
bis zur Erwerbung
durch das Haus Liech-
tenstein.
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Unser Staat - Das Fürstentum Liechtenstein
das Unterland (Herrschaft Schellenberg)
vereinigt. Das Staatsgebiet des
spáteren Fürstentums Liechten-
stein war im wesentlichen abgesteckt.
Eine erhebliche Erweiterung der landes-
herrlichen Rechte erlangte Freiherr
Wolfhart von Brandis im Jahre 1430 für
sich und alle seine Erben und Nachfolger:
Brandisische Untertanen und Leute, die
in den brandisischen Gebieten wohnhaft
waren, durften nur mehr vor den Gerich-
ten, die von ihnen bestellt wurden und
in ihren Herrschaften tagten, beklagt
oder einvernommen werden.
Die Entscheidungen der brandisischen
Gerichte waren endgültig. Diese
«Brandisische Freiheiten» genann-
ten, als Reichslehen erteilten landes-
herrlichen Rechte bestimmten im we-
sentlichen die sogenannte «alte Ord-
nung», die Verfassung unseres Landes
bis zur Erwerbung durch das Haus
Liechtenstein.
Neben der Ausgestaltung und Festigung
der obrigkeitlichen Rechte entwickelten
sich ganz bestimmte Volksrechte.
Die einzelnen Dorfgemeinschaften
(Nachbarschaften) regelten ihre Angele-
genheiten (Wald, Alpen, Allmend etc.)
wie seit altersher selbst. Eine Genossen-
oder Dorfordnung regelte den Lebens-
bereich der Nachbarschaft. Ubertretun-
gen dieser Ordnung wurden vor einem
eigenen Gericht, dem Genossengericht
eingeklagt und gebüsst. Den Vorsitz bei
diesem Gericht hatte der Ammann oder
Die Verfassung - das Grundgesetz
Landammann, wie man ihn spáter nannte.
Solche Ammànner sind bereits im
14. Jahrhundert urkundlich erwähnt.
Die Landesherren waren gemäss den
«Brandisischen Freiheiten» ausdrücklich
ermächtigt, die Vollmacht zur Ausübung
der Gerichtsbarkeit an ihre Leute zu
übertragen, sofern diese fähig waren,
das Richteramt auszuüben. Solche von
der Herrschaft beauftragte Ammänner
hielten nachweislich seit der ersten
Hálfte des 14. Jahrhunderts Gericht in
Vaduz für die Leute dieser Grafschaft
und auf Rofenberg für die Leute der
Herrschaft Schellenberg. Vor diese
Gerichte gehórten Streitigkeiten über
«Erb und Eigen» und Strafsachen.
Da gemáss den brandisischen Privile-
gien alle, die auf dem Gebiet der Frei-
herren von Brandis wohnten, diese Rich-
ter anerkennen und vor ihren Gerichten
Recht nehmen mussten, wurden die
rechtlichen und sozialen Unterschiede
bei den Bewohnern unseres Landes
allmählich abgebaut. Es bildeten sich die
beiden Gerichtsgemeinden der
Grafschaft Vaduz und der Herrschaft
Schellenberg.
Wesentlichstes Merkmal dieser Ord-
nung ist die ausgeprägte Mitwirkung
des Volkes. Die Gerichtsgemeinden
waren nicht nur Gebiete mit einem Ge-
richt und Träger staatlicher Aufgaben,
sie waren lebendige politische Gemein-
schaften mit eigenem Haushalt und
Steuerrecht.