Die Revolution von 1848 hatte in Europa
politische Kräfte freigelegt, auch wenn
sie sich zunächst nicht frei entfalten
konnten. Anfänglich waren es noch
ungeordnete Versuche, Veränderungen
zugunsten des Bürgertums zu erwirken.
Die entstehenden Parteien wiesen
noch keine geschlossene Einheit auf.
Radikale Linke standen extremen
Rechten gegenüber; und dennoch
begann sich allmählich ein gemeinsamer
Volkswille zu bilden, der schliesslich
immer mehr zu staatlicher Einheit führte.
So entstanden aus den Wirren des
19. Jahrhunderts zwei neue Grossmäch-
te: Italien (1860) und das Deutsche
Reich (1871).
Andere Teile Europas blieben hingegen
Problemherde: Im Südosten Europas,
dem Balkan, lebten Vólker unterschied-
licher Herkunft und Sprache, doch ihre
Freiheitsbestrebungen scheiterten zu-
náchst an der Doppelmonarchie Oster-
reich-Ungarn, die diese Bestrebungen
hemmte. Die Spannungen, die sich dar-
aus ergaben, führten u.a. zum Ersten
Weltkrieg.
Das Nationalgefühl, das dieses bürger-
liche Zeitalter kennzeichnete, wurde am
Ende des 19. Jahrhunderts ins masslose
gesteigert: Der Nationalismus mit
seinem übertriebenen Sendungsbe-
wusstsein und dem masslosen Streben
nach Macht liess die Politik der euro-
päischen Grossmächte in einen Wettlauf
um die Kolonien und, zur Jahrhundert-
wende, um die Aufrüstung ausarten.
Grundbegriffe der Staatskunde Wer bildet den Staat?
Die beiden Weltkriege
Die Bündnispolitik der europäischen
Staaten, das scheinbar unlösbare
Balkanproblem und nicht zuletzt die
durch Nationalismus und Kolonialpolitik
geschürte Kriegsbegeisterung der
Grossmächte entluden sich schliesslich
im Ersten Weltkrieg (1914—1918).
Der Versailler Friedensvertrag und vor
allem die Deutschland allein überant-
wortete Kriegsschuld bestimmten die
Weltpolitik der Zwischenkriegszeit:
e Der Vólkerbund, eine Art Vorläufer
der UNO, sollte künftige Kriege ver-
hindern, war jedoch nur beschränkt
wirksam, da ihm die entscheidenden
Machtbefugnisse fehlten.
e In Russland war schon wáhrend
des Krieges das Zarenreich gestürzt
worden und hatte, als Folge der
bolschewistischen Revolution vom
November 1917, einer kommuni-
stisch regierten Sowjetunion Platz
machen müssen.
e Die englische Politik konzentrierte
sich nach dem Ersten Weltkrieg auf
die Ausgestaltung des Common-
wealth, des britischen Vólkerbundes.
e In Osteuropa bildeten eine Reihe
neu entstandener Staaten einen
«Sicherheitsgürtel» zwischen Ost
und West. Es waren dies Finnland,
Estland, Lettland und Litauen; Polen,
Ungarn, Tschechoslowakei und Jugo-
slawien. Nationale und soziale Span-
nungen waren bei der Neugründung