wurde. Diese neue Zeitung sollte als
Sprachrohr liberalerer Meinungen
dienen und auch andere Ansichten zur
Geltung bringen. Das Volksblatt orien-
tierte sich nämlich ganz an der Politik
der Regierung und beherrschte seit
1878 als einzige Zeitung im Lande die
öffentliche Meinung.
In der Erstausgabe der Oberrheinischen
Nachrichten konnte man lesen: «Im
gegenseitigen Austausch der Ansichten
bilden sich neue; einer besseren sach-
lichen Belehrung werden wir uns zu
keiner Zeit verschliessen, wie wir uns
umgekehrt nicht anmassen, das allein
Richtige jeweils zu wissen. Darum
Gruss dem Gegner!»
Drei Jahre vor der neuen Verfassung
wurde das direkte und geheime Wahl-
recht eingeführt, das Fürst Johann Il.
aus Eigeninitiative dem Volk zugestand.
Seither wáhlt das Volk seine Abgeord-
neten in den Landtag direkt. Das neue
Wahlrecht und die Ausschreibung von
Wahlen für den März 1918 ermôglich-
ten und fórderten die Entwicklung
von Parteien, als deren Vorläufer man
die beiden Zeitungen bezeichnen darf.
Die wirtschaftliche Not der Jahre vor
und während des Ersten Weltkrieges,
die ausländischen Landesverweser, die
der Bevölkerung vorgesetzt wurden,
und die Absenz des Landesfürsten tru-
gen dazu bei, dass sogar da und dort
auch der Ruf nach der Abschaffung der
Monarchie laut wurde.
Nach dem Ersten
Weltkrieg erlebte
Europa eine Zeit des
politischen Aufbruchs.
In Liechtenstein ent-
standen zwei politische
Parteien, die Christlich-
soziale Volkspartei und
die Fortschrittliche
Bürgerpartei. Das Volk
konnte erstmals den
Landtag direkt wáhlen.
Dieser Wahlvorschlag
der Volkspartei für das
Oberland erschien in
den «Oberrheinischen
Nachrichten» vom
6. Márz 1918.
Bereits im Februar 1918 gründete
Dr. Wilhelm Beck die «Christlich-soziale
Volkspartei». Dr. Beck und viele Mitglie-
der dieser Partei hatten durch Aufent-
halte und Berufstätigkeit in der Schweiz
die demokratischen und sozialen
Einrichtungen dieses Staates kennenge-
lernt. So forderten die Mitglieder der
Volkspartei den Ausbau der demokra-
tischen Rechte und eine vermehrte
Mitbestimmung in Regierung und Land-
tag, was sich auch im Schlagwort
«Liechtenstein den Liechtensteinern»
manifestierte.
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