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1.1. Der Verlauf eines sprachlichen Wandels
Sprachwandel ist ein Prozess, der damit beginnt, dass eine Sprache nach der Meinung
einiger ihrer Sprecher ihren Zweck nicht mehr adäquat erfüllt. Die Sprecher schaffen
ein neues Sprachfaktum, um die Funktionalität der Sprache wieder herzustellen. Das
neue Faktum, die Neuerung, breitet sich allmählich in der Sprachgemeinschaft aus,
indem immer mehr Sprecher die Neuerung übernehmen. Für eine kürzere oder längere
Zeit kommen nebeneinander die alte und die neue Form vor.
Der Prozess des Ersetzens einer Form durch eine neue kann also in drei Etappen
dargestellt werden. Beim Wandel von Lismer zu Pullover beispielsweise, fügt jeder
übernehmende Sprecher seinem Lexikon zum Wort Lismer zusätzlich das Wort Pullover
hinzu. Der Sprecher besitzt nun zwei Möglichkeiten, dasselbe auszudrücken. Im
weiteren Verlauf kann der ursprüngliche Ausdruck verloren gehen und durch den neuen
vollständig ersetzt werden: '®
kategorisches
Stadium 1
Lismer
variables
Stadium
Lismer/
Pullover
kategorisches
Stadium 2
Pullover
Wenn das neue Faktum bei allen Sprechern das Alte verdrängt hat und dieses
verschwindet, hat der Wandel extensive Allgemeinheit erlangt.‘
In der vorliegenden Arbeit werden allerdings keine lexikalischen, sondern phonologische
und morphologische Wandel untersucht. Um derartige Wandelvorgänge beschreiben zu
können, muss zum Kriterium der Erlangung extensiver Allgemeinheit zusätzlich jenes
der Erlangung intensiver Allgemeinheit berücksichtigt werden. Es handelt sich erst dann
um einen wirklichen Wandel, wenn der Ersatz in allen Ausdrucksstrukturen, wo das
157g]. das Modell bei Haas 1978, S. 34.
"7% ug]. Haas 1978, S. 35.