Der Landtag als Volks- und «Landesvertretung»
Verfassung nicht (Mit-)Träger der Staatsgewalt ist. Der Landtag wirkt als
«beschränkender Faktor», an dessen Mitwirkung der Fürst bei der Aus-
übung bestimmter Funktionen, z. B. Legislativfunktionen, gebunden ist.
Der Landtag repräsentiert aber das Volk bzw. die «Gesamtheit der
Landesangehörigen» nicht vollumfänglich, da er sich nur aus der «wahl-
fähigen männlichen Bevölkerung» ($$ 55, 57 KV) zusammensetzt und
drei der 15 Abgeordneten der Landesfürst ernennt.?”
Diese fürstlichen Abgeordneten sind im eigentlichen Sinn keine
Volksvertreter. Sie werden vom Fürsten bestellt. Es mangelt ihnen an der
Legitimation durch das Volk, d. h. «aus eigener Wurzel in der Volks-
wahl».?8 Peter Geiger betrachtet sie dennoch «der Sache nach» als
Volksvertreter, da sie «aus der im Fürstenthume wahlfähigen männlichen
Bevölkerung stammen» ($ 55 KV) und an keine Instruktionen gebunden
sind.?9 Die Tatsache, dass sie keinen Weisungen unterworfen und dem
Allgemeinwohl («das allgemeine Wohl des Fürsten und des Landes»)?
verpflichtet sind, spricht zwar für eine eigenständige Legitimation, lässt
sie aber dennoch nicht als Abgeordnete des Volkes erscheinen.?*!
257 Bei dieser Zusammensetzung wie auch bei der Wahlmänner-Wahl ($ 56 KV 1862)
bleibt es auch nach der Änderung des $ 55 durch das Gesetz vom 19. Februar 1878
über die Abänderung des Landtags-Wahlmodus, LGBl. 1878 Nr. 2. Dort heisst es:
«Der Landtag zählt 15 Mitglieder; drei derselben werden vom Fürsten aus der wahl-
fähigen Bevölkerung des Fürstenthums ernannt, die übrigen Mitglieder hingegen
u.z. 7 durch Wahlmänner des Oberlandes und 5 durch Wahlmänner des Unterlan-
des aus dem Volke gewählt». Zur Schaffung der Wahlbezirke bzw. Wahlkreise siehe
Herbert Wille, Landtag und Wahlrecht, S. 200 ff. Das Wahlmänner-Wahlrecht wird
gemäss $ 2 des Gesetzes vom 21. Jänner 1918 betreffend die Abänderung der Land-
tagswahlordnung, LGBl. 1918 Nr. 4, durch das direkte Wahlrecht ersetzt. Siehe auch
hinten S. 103 f.
258 Vgl. etwa $ 3 Geschäftsordnung für den Landtag, wo es heisst: «Neu gewählte
Abgeordnete legitimiren sich durch Vorweisung der Wahlurkunde».
259 Peter Geiger, Die liechtensteinische Volksvertretung, S. 42 und ders., Geschichte,
5.286 ff.
260 Siehe $ 39 KV 1862.
261 Es ist in diesem Zusammenhang auch anzumerken, dass es sich bei den vom Fürs-
ten ernannten Abgeordneten auch um ausländische Personen handeln kann, denen
für die Dauer ihrer Dienstzeit im Lande das Ehrenstaatsbürgerrecht verliehen wor-
den ist. Siehe vorne S. 90 Fn. 245.
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