Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Zusammenfassung und Schlussbetrachtung 
ändern. An diese ehemals souveräne Stellung des Fürsten erinnern auch 
bedeutsame Sonderrechte des Landesfürsten gegenüber Volk und Land- 
tag. Sie präsentieren sich heute als fürstliche Dominanz!® und sind neben 
den demokratischen und verfassungsstaatlichen Einrichtungen auch Teil 
der Verfassung von 1921. 
Es sind in der Einleitungsformel überholte Legitimationsvorstel- 
lungen erhalten geblieben, die den Fürsten zum Verfassunggeber erklä- 
ren. Sie widersprechen der Grundkonstruktion der Verfassung, die die 
souveräne Staatsgewalt zwischen Fürst und Volk aufgeteilt hat. Der 
Fürst der Verfassung von 1921 ist entgegen dem im Ingress gebrauchten 
Gottesbezug kein Fürst von Gottes Gnaden.!! Er leitet seine Position 
und seine Kompetenzen aus der Verfassung ab. Demzufolge beruht auch 
das Fürstenamt nicht auf eigenem historischen Recht der Dynastie. Es ist 
wohl der «Pietät gegenüber dem geschichtlich Gewordenen»!? und dem 
10 Kritisch äussert sich dazu Peter Häberle, Monarchische Strukturen, S. 376, wenn er 
festhält: «Die Staatsoberhaupt-Rolle, die Potenz, einer von zwei Souveränen zu sein 
(Art. 2), die Fülle der Kompetenzen bis hin zum Notstandsrecht (Art. 10) — all das 
zeigt, wie <al» Liechtensteins monarchische Strukturen noch 1921 in Verbindung 
mit durchaus modernen Verfassungsstaatselementen wie dem Grundrechtskatalog 
(Art. 28 bis 44) geblieben sind. Man mag sich fragen, wann in Vaduz der Weg von 
'T. Hobbes zu J. Locke bis hin zur Charta von Paris (1990) verfassungstextlich und 
wirklich «wiederholt? wird.» Die Charta von Paris ist für das Fürstentum Liech- 
tenstein am 1. März 1998 in Kraft getreten (siehe LGBl. 1998 Nr. 9). Die Kritik von 
Zoltän Tibor Pällinger, Monarchien, S. 5, geht daher dahin, dass unter dem Ge- 
sichtspunkt des Demokratieprinzips Monarchen, die nicht gewählt werden, sondern 
aufgrund der Erbfolge in ihr Amt gelangen, nur repräsentative Funktionen ausüben 
dürfen. 
11 Nach Roman Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 199 f. kann die Berufung auf eine 
göttliche Einsetzung, wie sie dem Gottesgnadentum vorschwebte, in einer säkula- 
ren, durch weltanschauliche Pluralität der Gesellschaft und weltanschauliche Neu- 
tralität des Staates geprägten Umwelt kein Legitimationsprinzip mehr sein, auf dem 
sich wirklich noch ein Staat aufbauen liesse. Vgl. zum Gottesgnadentum auch BuA 
Nr. 87/2001 der Regierung vom 20. November 2001, S. 16, der im Zusammenhang 
mit Art. 7 Abs. 2 LV von einer «systemgerechte(n) Bereinigung in der Form einer 
verbindlichen Feststellung des Untergangs des Gottesgnadentums des Landesfürs- 
ten durch den Verfassungsgesetzgeber» spricht. In der Konstitutionellen Verfassung 
von 1862 habe die Formel «von Gottes Gnaden» zur Aufgabe gehabt, die Erbmo- 
narchie zu legitimieren und zugleich das monarchische Prinzip zu stützen. Vgl. auch 
Annette Papenheim, Präambeln, S. 31. 
12 In Anlehnung an eine Formulierung von Friedrich Julius Stahl, zitiert nach Otto 
Brunner, Gottesgnadentum, S. 132; siehe auch Otto Ludwig Marxer, Die Organisa- 
tion der obersten Staatsorgane, S. 3. 
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