Staatsbestimmende Grundentscheidungen
Fürsten als Staatsoberhaupt. Die Einsetzung in sein Amt bzw. die Amts-
übernahme ist nicht auf einen Akt des Volkes zurückzuführen. Das Amt
des Fürsten als Staatsoberhaupt ist erblich.® Der Fürst wird durch das
Erbprinzip im Hausgesetz und der Landtag in der Volkswahl bestimmt.”
Die Verfassung fügt, wie Dietmar Willoweit es formuliert, die beiden
Prinzipien «in durchaus eigentümlicher Weise zu einem jeweils beson-
deren System des Staatsrechts zusammen».$
Die Verfassung von 1921 legt sich in der Souveränitätsfrage nicht
fest, indem sie sich weder für die Fürsten- noch für die Volkssouveräni-
tät ausspricht. Sie hält zwar an der Erbmonarchie fest, rückt aber vom
bisherigen monarchischen Prinzip ab, indem sie die Staatsgewalt zwi-
schen Fürst und Volk teilt. Er ist nicht mehr der Souverän, wie ihn die
Konstitutionelle Verfassung von 1862 in $ 2 ausweist.? Die Verfassung
von 1921 zieht die staatsrechtliche Konsequenz aus der widersprüchli-
chen Stellung des konstitutionellen Fürsten. Daran kann auch die aus der
Konstitutionellen Verfassung von 1862 tradierte Einleitungsformel, die
von einem «souveränen Fürsten» von Gottes Gnaden spricht, nichts
6 Vgl. auch Gerard Batliner, Aktuelle Fragen, S. 43 Rz. 78, wo es heisst: «Der Fürst
verdankt seine Stellung nicht einer Wahl durch das Volk oder den Landtag oder
durch sonst ein Wahlgremium unter mehreren Mitkonkurrenten, sondern unmittel-
bar und von Rechts wegen der Verfassung und den Hausgesetzen sowie der Tatsa-
che der männlichen Erstgeburt in der regierenden Linie des Hauses Liechtenstein
und dem Eintritt des Thronfolgefalles (Art. 3 LV).» Siehe im Weiteren Christine We-
ber, Gegenzeichnungsrecht, S. 151.
7 Eine andere Auffassung vertritt die Regierung in ihrem BuA Nr. 87/2001 vom
20. November 2001, S. 15 f., wonach aufgrund der Volksinitiative zur Abschaffung
der Monarchie (Art. 113 LV 2003) nur noch der Wille des Volkes für die Trägerschaft
der Staatsgewalt durch den Landesfürsten ausschlaggebend ist, sodass man es mit
«zwei im Volkswillen verankerte(n) Träger(n) der Staatsgewalt» zu tun hat. Das
heisst, dass «ab dem Inkrafttreten der geplanten Reform zur Rechtfertigung der
Staatsgewalt nur mehr von einem <«Souveräm die Rede sein kann: vom Volk des
Staates Liechtenstein». Vgl. auch Günther Winkler, Verfassungsrecht, S. 170, der
zurückhaltender formuliert, wenn er davon spricht, dass die Befugnisse des Fürsten
als Staatsoberhaupt und seine Rechtsstellung als einer der beiden Träger der Staats-
gewalt explizit demokratisch und rechtsstaatlich stärker in die Willensbildung des
Staatsvolkes eingebunden werden sollen.
8 Dietmar Willoweit, Verfassungsinterpretation im Kleinstaat, S. 198.
9 So heisst es im Referat von Wilhelm Beck zum Gesetz betr. die Ausübung der poli-
tischen Volksrechte in Landesangelegenheiten, dass das Volk gemäss Art. 2 LV 1921
zu einem «Mitträger und Mitinhaber der Staatsgewalt (Souveränität)» geworden ist.
Siehe auch vorne S. 179 Fn. 105 und 108.
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