Staatsgerichtshof und EFTA-Gerichtshof
scheidung des EuGH gleichkommt,*©° sodass der EFTA-Gerichtshof
seine Auslegungsentscheidungen, die von den nationalen Gerichten
anerkannt werden,°1 im Rubrum als «Urteile» oder «Vorabentscheidun-
gen» und im Dispositiv als «Gutachten» bezeichnet.
3.
a)
Rechtsanwendungsvorrang des EWR-Rechts und Kassation
des innerstaatlichen Rechts
Stellung des Staatsgerichtshofes
Da das EWRA bzw. das EWR-Recht materiell einen «verfassungsän-
dernden und -ergänzenden Charakter» aufweist, hat der Staatsgerichts-
hof seine «Normenkontrollfunktion auch in Bezug auf die Über-
einstimmung innerstaatlicher Gesetze und Verordnungen mit dem
EWR-Recht» wahrzunehmen. Das heisst, dass auch die EWR-Rechts-
widrigkeit von Gesetzen und Verordnungen beim Staatsgerichtshof gel-
tend gemacht werden kann. Er überprüft EWR-Recht und sich darauf
stützendes Landesrecht in der Regel» nicht auf seine Verfassungsmäs-
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hofes zu Vorlagefragen rechtlich gesehen «keine bindende Wirkung, da es sich um
Gutachten handelt». Nach Andreas Batliner, Die Anwendung des EWR-Rechts,
S. 140 sind die Gutachten für die nationalen Gerichte «theoretisch» nicht verbindlich.
Siehe Art. 267 AEUV und Halvard Haukeland Fredriksen, Europäische Vorlage-
verfahren, S. 5 und 16. Carl Baudenbacher, Grundfreiheiten und Grundrechte,
$. 789 Rz. 16 konstatiert, dass Vorabentscheidungen des EFTA-Gerichtshofs «in ih-
rer Normativität> kaum schwächer sind als diejenigen des EuGH.
Siehe für den Verwaltungsgerichtshof Andreas Batliner, Die Anwendung des EWR-
Rechts, S. 140 und für den Staatsgerichtshof SCGH 2011/200, Urteil vom 7. Februar
2012, Erw. 3.2 (im Internet abrufbar unter: <www.gerichtsentscheide.li>).
Vgl. Halvard Haukeland Fredriksen, Europäische Vorlageverfahren, S. 17 und
247 f.; Carl Baudenbacher, Grundfreiheiten und Grundrechte, S. 789 Rz. 16.
StGH 1996/34, Urteil vom 24. April 1997, LES 3/1998, S. 74 (80); SEGH 1998/3,
Urteil vom 19. Juni 1998, LES 3/1999, S. 169 ff. (171); SEGH 2000/33, Entscheidung
vom 5. Dezember 2000, nicht veröffentlicht, S. 23.
StGH 1998/61, Urteil vom 3. Mai 1999, LES 2/2001, 5. 126 (130 f. Erw. 3.1); SIGH
2008/36, Urteil vom 30. Juni 2008, Erw. 2.1 (nicht veröffentlicht); StGH 2006/94,
Urteil vom 30. Juni 2008, Erw. 2.1 (im Internet abrufbar unter: <www.gerichtsent
scheide.li>). Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs darf EWR-Recht
nicht gegen «Grundprinzipien und Kerngehalte der Grundrechte der Landesver-
fassung verstossen». Da, wie der Staatsgerichtshof in SSGH 2007/127, Urteil vom
11. Februar 2008, Erw. 4.2 (im Internet abrufbar unter: <www.gerichtsentschei
de.li>) ausführt, «auch das Recht der Europäischen Gemeinschaften und somit auch
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