5. Abschnitt
Das Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte und zum EFTA-Gerichtshof
$ 51 STAATSGERICHTSHOF UND EUROPÄISCHER
I.
GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
Allgemeines
Die liechtensteinische Rechtsordnung zeichnet sich seit der Ratifikation
der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK)** durch eine «gewisse Duplizität der grund-
rechtlichen Gewährleistungsebene» aus, da das Verfassungs- und Kon-
ventionsrecht weitgehend inhaltlich gleichgerichtete Schutzbereiche auf-
weisen.‘®5 Neben dem Staatsgerichtshof besteht mit dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein weiterer Gerichtshof
mit Zuständigkeiten im Bereich der Grund- und Menschenrechte. In
dieser Hinsicht handelt es sich bei ihnen um funktional vergleichbare
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Sie erfolgte am 8. September 1982. Siehe LGBI. 1982 Nr. 60. Liechtenstein hat mit
Ausnahme des 12. alle Zusatzprotokolle zur EMRK ratifiziert. Siehe Mark E. Villi-
ger, Quellen der Grundrechte, S. 36.
Wolfram Höfling, Grundrechtsordnung, S. 21 und 29. Vgl. auch Hilmar Hoch, Kri-
terien der Einschränkung von Grundrechten, S. 643, der darauf hinweist, dass der
Grundrechtskatalog der Verfassung weitgehend auch denjenigen der EMRK
umfasst. Einzig das Recht auf Ehe und Familie gemäss Art. 8 EMRK habe keine
inländische Entsprechung erfahren. In einzelnen Bereichen habe die EMRK zu
wichtigen Erweiterungen des von den inländischen Grundrechten gewährleisteten
Schutzes geführt, so insbesondere der Anspruch auf ein Verfahren vor einem unab-
hängigen Gericht gemäss Art. 6 Abs. 1 EMRK auch für das Verwaltungsverfahren.
Siehe zum Anspruch auf den unabhängigen Richter auch Tobias Michael Wille,
Recht auf den ordentlichen Richter, S. 336 f. Rz. 5 und 5. 376 ff. Rz. 54 ff.
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