Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Verhältnis zu anderen Staatsorganen 
staltungsfreiheit verlässt und Grundrechte verletzt. Würde er anders ver- 
fahren, so erklärt der Staatsgerichtshof, «bedeutete dies eine Verschie- 
bung seiner Kontrollfunktion in Richtung von Gestaltungen, die dem 
Gesetzgeber vorbehalten sind».?* Wie weit diese gesetzgeberische 
Gestaltungsfreiheit reicht, legt letztlich der Staatsgerichtshof fest. Sie 
hängt vom materiellen Prüfungsmassstab ab, den der jeweilige verfas- 
sungsrechtliche Sachbereich bestimmt. 
2. Entscheidungsformen im Normenkontrollverfahren 
a) Kassation 
Ein Normenkontrollverfahren vor dem Staatsgerichtshof endet entwe- 
der mit der Feststellung, dass das geprüfte Gesetz oder einzelne seiner 
Bestimmungen verfassungsmässig sind oder im entgegengesetzten Fall, 
wenn sie verfassungswidrig sind, mit ihrer Kassation.?® Bei Staatsverträ- 
gen wird die Kassation als «Aufhebung der Verbindlichkeit» verstan- 
den.?% Stellt der Staatsgerichtshof bei Staatsverträgen eine Unvereinbar- 
keit mit der Verfassung fest, hebt er ihre innerstaatliche Verbindlichkeit 
auf.?” Eine andere Möglichkeit besteht nicht,?® wie der Staatsgerichts- 
394 StGH 2006/5, Urteil vom 3. Juli 2006, LES 2/2007, S. 108 (114) Erw. 3a (im Inter- 
net abrufbar unter: <www.gerichtsentscheide.li>) mit Hinweis auf SYGH 2004/14, 
Urteil vom 9. Mai 2005, Erw. 4 (im Internet abrufbar unter: <www.gerichtsent 
scheide.li>) und StGH 2003/16, Erw. 2b (nicht veröffentlicht); siehe auch Herbert 
Wille, Probleme des gesetzgeberischen Unterlassens, S. 453. In SIGH 1991/14, Ur- 
teil vom 23. März 1993, LES 3/1993, S. 73 (79) hält sich der Staatsgerichtshof nicht 
an diese Rechtsprechungslinie und überschreitet seine verfassungsmässigen Gren- 
zen. Siehe Herbert Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein, 
S. 51 f. und Hugo Vogt, Das Willkürverbot und der Gleichheitsgrundsatz, S. 112. 
395 Vgl. Art. 104 Abs. 2 LV und Art. 19 Abs. 1 SEGHG und Tobias Michael Wille, Ver- 
fassungsprozessrecht, S. 758 f. Der Staatsgerichtshof kann gemäss Art. 19 Abs. 3 
StGHG die Rechtswirksamkeit der Aufhebung um längstens ein Jahr hinausschie- 
ben. Siehe dazu Herbert Wille, Probleme des gesetzgeberischen Unterlassens, S. 447. 
396 Vgl. BuA Nr. 95/2003 der Regierung vom 4. November 2003, S. 39. 
397 Siehe Art. 23 Abs. 1 SEGHG und Stellungnahme der Regierung vom 22. Oktober 
2002 zur Überprüfungskompetenz des Staatsgerichtshofes hinsichtlich der Verfas- 
sungsmässigkeit von Staatsverträgen, S. 5 ff. und S. 7 ff. zu den staats- und völker- 
rechtlichen Folgen einer Aufhebung. 
398 Eine Ausnahme von der Kassationspflicht sieht Art. 19 Abs. 2 StGHG für den Fall 
vor, dass das Gesetz oder einzelne seiner Bestimmungen bereits ausser Kraft getre- 
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