Zuständigkeiten und Verfahren
Im Falle der Verurteilung wegen vorsätzlicher Verletzung der Verfas-
sung oder eines bestimmten Gesetzes kann der Staatsgerichtshof auf den
Verlust des Amtes erkennen.
Der Staatsgerichtshof hat in seinem Urteil, wenn das angeklagte
Regierungsmitglied verurteilt wird, «in der Regel auch über geltend
gemachte Ersatzansprüche und über seine Besoldungsansprüche zu
erkennen».*9
5. Begnadigung und Niederschlagung des Verfahrens
Dem Landesfürsten steht das Recht der Begnadigung und Strafmilde-
rung zu. Er übt dieses Recht zugunsten eines Regierungsmitgliedes, das
«wegen seiner Amtshandlungen» verurteilt worden ist, nur auf Antrag
des Landtages aus.3° Dieses Rechtsinstitut setzt also einen Antrag des
Landtages voraus. Es stellt seiner Rechtsnatur nach einen Ermessensakt
des Landesfürsten dar, der das Recht und nicht auch die Pflicht hat, eine
Begnadigung zu verfügen.
Der Landesfürst ist nach Art. 12 Abs. 1 LV auch berechtigt, (Straf-)
Untersuchungen niederzuschlagen.?? Dieses Abolitionsrecht umfasst
gleichfalls die Verfahren der Ministeranklage, die auf Antrag des Land-
tages eingeleitet worden sind. Es wird in einem unbeschränkten Sinne
348 Siehe Art. 34 Abs. 2 SSGHG und zu Art. 50 Abs. 2 SIGHG 1925, der nahezu gleich
lautete, Walter Kieber, Regierung, Regierungschef, Landesverwaltung, S. 302.
349 Siehe Art. 34 Abs. 3 SSGHG und zu Art. 50 Abs. 3 SIGHG 1925, der nahezu gleich
lautete, Walter Kieber, Regierung, Regierungschef, Landesverwaltung, S. 302.
350 Siehe Art. 12 Abs. 1 und 2 LV und dazu Tobias Michael Wille, Verfassungsprozess-
recht, S. 226 f. mit Hinweis auf Karl Kohlegger, Das Gnadenrecht des Landesfürs-
ten, S. 139 ff.; siehe auch vorne S. 348.
351 So Günther Winkler, Begnadigung und Gegenzeichnung, S. 84; vgl. auch Tobias
Michael Wille, Verfassungsprozessrecht, S. 227 unter Bezugnahme auf Karl Kohleg-
ger, Das Gnadenrecht des Landesfürsten, S. 139 ff.
352 Unter diesem Recht, Verfahren niederzuschlagen, versteht man den Verzicht auf die
Strafverfolgung. «Sie besteht in der Verfügung, dass wegen einer strafbaren Hand-
lung ein strafrechtliches Verfahren nicht eingeleitet oder das eingeleitete wieder ein-
gestellt werden soll.» Vgl. Konrad Atzwanger, Ministeranklage, S. 42; siehe vorne
S. 350 ff.
662