Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Verfassungsrechtliche Stellung 
sprechung kann der Staatsgerichtshof als Letztinterpret der Verfassung 
«mehr als bloss punktuell intervenieren»,® gilt doch die Verfassung in 
der Praxis so, wie er sie auslegt.® Dem Staatsgerichtshof steht es aber aus 
der für sich reklamierten «verfassungsrechtlichen Leitfunktion»* nicht 
zu, eine eigenständige Erweiterung von Kompetenzen vorzunehmen.® 
III. Staats®- bzw. Verfassungsorgan 
1. Allgemeines 
Die Verfassung hat den Staatsgerichtshof als Gerichtshof des öffentli- 
chen Rechts instituiert, der über die ihm von ihr zugewiesenen Verfas- 
sungsstreitigkeiten entscheidet (Art. 104 LV). Das Staatsgerichtshofge- 
setz bestimmt seine Stellung im Verhältnis zu den übrigen Verfassungs- 
organen und bezeichnet ihn als einen ihnen gegenüber selbständigen und 
unabhängigen Gerichtshof (Art. 1 Abs. 1), wobei es diese Konzeption 
dem deutschen Bundesverfassungsgerichtsgesetz entlehnt hat.” Es stellt 
damit, auch wenn der Hinweis nur indirekt erfolgt, klar, dass der Staats- 
gerichtshof ein Verfassungsorgan ist und eine andere verfassungsrechtli- 
che Stellung einnimmt als die anderen Gerichte, die als Organe der 
Rechtspflege (Gerichtsbarkeit) nicht zu den Verfassungsorganen gerech- 
net werden. Sie fungieren als Rechtsanwendungsorgane bei der Streit- 
erledigung und haben somit nicht wie der Staatsgerichtshof Entschei- 
  
62 Christian Hillgruber / Christoph Goos, Verfassungsprozessrecht. S. 2 f. Rz. 5. 
63 So für Deutschland Oliver Lepsius, Die massstabsetzende Gewalt, S. 163. 
64 Diesen Begriff verwendet der Staatsgerichtshof beispielsweise in StGH 1995/20, 
Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1/1997, S. 30 (38) und StGH 1997/40, Urteil vom 
2. April 1998, LES 2/1999, S. 87 (89). Vgl. auch Herbert Wille, Verfassungsgerichts- 
barkeit im Fürstentum Liechtenstein, S. 44 ff. 
65 Vgl. Herbert Wille, Normenkontrolle, S. 296 ff.; Tobias Michael Wille, Verfassungs- 
prozessrecht, S. 58; Wolfram Höfling, Die Verfassungsbeschwerde zum Staatsge- 
richtshof, S. 34 f. In StGH 1995/20, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 1/1997, S. 30 
(S. 38 Erw. 4.5) begründet der Staatsgerichtshof beispielsweise die Kompetenz- 
erweiterung aus dem Titel seiner «Leitfunktion». 
66 Vgl. zu dieser Bezeichnung Otto Ludwig Marxer im Titel seiner Dissertation, die 
sich mit der Organisation der obersten «Staatsorgane» auseinandersetzt. 
67 BuA Nr. 45/2003 der Regierung vom 12. August 2003, S. 31; vgl. auch Tobias 
Michael Wille, Verfassungsprozessrecht, S. 46. 
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