Zuständigkeiten des Landtages
II. Auf dem Gebiete der Gesetzgebung
1. Landtag als (Mit-)Gesetzgeber
Von verfassungsrechtlicher und -politischer Bedeutung ist die Frage,
welche Stellung der Landtag im Gesetzgebungsverfahren einnimmt, wie
seine Rolle ausgestaltet ist, inwieweit er daran beteiligt ist, welches seine
Befugnisse sind. Der Landtag beschliesst die Gesetze im Rahmen seiner
Zuständigkeit und unter Beachtung der Mitwirkungsbefugnisse der übri-
gen am Verfahren der Gesetzgebung beteiligten Organe, Fürst und Volk.
An der Gesetzgebung sind in unterschiedlichen Funktionen meh-
rere Staatsorgane beteiligt.?? Fürst und Landtag, gegebenenfalls das
Volk, werden als die gesetzgebenden «Faktoren»?! bzw. Staatsorgane
bezeichnet.?? Dabei ist der Landtag das beschlussfassende Organ. Er
beschliesst das Gesetz.?3 Die in Art. 62 Bst. a und 65 Abs. 1 LV genannte
«Mitwirkung an der Gesetzgebung» versteht sich als Beschlussfassung.
Insofern ist der Terminus «Zustimmung» in Art. 65 Abs. 1 Satz 1 LV, der
wie auch dessen Text $ 24 der Konstitutionellen Verfassung von 1862
entlehnt ist, unter der das Gesetz vom Landesfürsten ausgeht, in seinem
Sinngehalt nicht ganz zutreffend.®* Der Landtag ist das Organ, das den
329 Gerard Batliner, Aktuelle Fragen, S. 40 Rz. 70 spricht in diesem Zusammenhang von
«Zuständigkeitszuteilungen» zwischen Volk, Landtag und Fürst. Bei Edwin Loe-
benstein, Ausgewählte Besonderheiten, S. 10 ist in verkürzter Weise — das Volk wird
nicht erwähnt — die Rede davon, dass die Funktion der Gesetzgebung auf ein «in
Verbindung von Monarch und Parlament bestehendes, also ein zusammengesetztes
Organ übertragen» sel.
330 Vgl. Gerard Batliner, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 44 f.
Wenn über einen Gesetzesbeschluss eine Volksabstimmung nicht stattfindet, weil
eine solche weder vom Landtag von sich aus angeordnet noch vom Volk verlangt
(Referendumsbegehren) wird, entscheidet der Landtag anstelle des Volkes allein.
331 Gregor Steger, Fürst und Landtag, S. 72.
332 Siehe Art. 65 LV.
333 Siehe Art. 66 und 66bis LV.
334 Vgl. Gregor Steger, Fürst und Landtag, S. 72 f., der noch den Gesetzesbegriff der da-
maligen Zeit, d. h. des monarchischen Konstitutionalismus, verwendet, indem er sich
auf Paul Laband, Staatsrecht, Bd. 2, S. 7 bezieht, wonach der Fürst das Gesetz erlässt
und «die Sanktion der eigentliche zentrale Akt des Gesetzgebungsverfahrens ist».
Nach Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetze und gesetzgebende Gewalt, S. 228 f.,
reduziert diese Lehre den Gesetzesbegriff auf das Befehls- und Zwangsmoment.
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