Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Initiativrecht 
c) In materieller Hinsicht 
Bei den materiellen Voraussetzungen steht der Inhalt einer Volksinitia- 
tive im Vordergrund. Dabei geht es in erster Linie um ihre Vereinbarkeit 
mit der Verfassung und den bestehenden Staatsverträgen.!® 
ca) Verfassungs- und Staatsvertragskonformität 
Volksinitiativen haben sich an die Verfassung und die bestehenden 
Staatsverträge bzw. völkerrechtlichen Verträge zu halten. So bestimmt es 
Art. 70b VRG, der mit Blick auf das Vorrangprinzip des EWR-Abkom- 
mens geschaffen wurde. Der Staatsgerichtshof hatte sich in seinem Gut- 
achten vom 6. März 1987! mit der Frage auseinanderzusetzen, wie der 
Landtag verfassungswidrige Gesetzesinitiativen zu behandeln habe, und 
regte eine gesetzgeberisch «klare Lösung» an, wonach sie der Landtag 
der Abstimmung entziehen können sollte, da diese Thematik «weder in 
der Verfassung noch im Volksrechtegesetz ausdrücklich geregelt» ist. 
Diesen Ratschlag befolgte der Gesetzgeber und führte das Vorprüfungs- 
verfahren ein, in dem eine Volksinitiative wegen Verfassungs- oder Völ- 
kerrechtswidrigkeit vom Landtag bzw. im Beschwerdefall vom Staatsge- 
richtshof für nichtig erklärt werden kann.!* 
Art. 70b VRG erfasst sowohl Gesetzes- als auch Verfassungsinitia- 
tiven. Er nimmt seinen Platz unter den «Gemeinsamen Bestimmungen» 
des IV. Titels ein, die generell auf Gesetzes- und Verfassungsinitiativen 
Anwendung finden.!® Auf Verfassungsebene kommt diese Bestimmung 
jedoch, so Bernhard Ehrenzeller und Rafael Brägger, «nicht in gleichem 
Ausmass zum Tragen wie bei Gesetzesinitiativen», da der einfache Ge- 
setzgeber den Verfassunggeber nicht binden und somit keine Kollisions- 
  
182 Siehe Art. 70b VRG; vgl. auch Bernhard Ehrenzeller / Rafael Brägger, Politische 
Rechte, S. 652 Rz. 29. 
183 StGH 1986/10, Gutachten vom 6. März 1987, LES 4/1987, S. 148 (153). 
184 Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Art. 70b VRG den BuA Nr. 48/1992 der Regie- 
rung vom 8. Juli 1992 zur Änderung des Volksrechtegesetzes, S. 2 f. und S. 12 ff; 
siehe auch Herbert Wille, Normenkontrolle, S. 237 ff. Zur Verwaltungspraxis siehe 
etwa BuA Nr. 50/2001 der Regierung vom 25. September 2001, S. 6; BuA Nr. 
88/2002 der Regierung vom 1. Oktober 2002, S. 6 f.; BuA Nr. 104/2002 der Regie- 
rung vom 22. Oktober 2002, $. 5 f. Zum Begriff «Nichtigkeit» siehe vorne S. 415. 
185 Vgl. auch Martin Batliner, Politische Volksrechte, S. 165; Bernhard Ehrenzeller/ 
Rafael Brägger, Politische Rechte, S. 658 Rz. 41, die auf Wortlaut und Systematik 
verweisen. 
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