Grundlegung
2. Organfunktion
Die politischen Rechte sind als «Bewirkungsrechte»® nicht nur verfas-
sungsmässig gewährleistete Individualrechte. Sie stehen über diesen
grundrechtlichen Aspekt hinaus aber auch «für eine kollektive Funktion
des gesamten Stimmvolks (so genannte Organfunktion des Stimm-
rechts)». Die Stimmberechtigten nehmen bei der Ausübung der politi-
schen Rechte nicht nur ein Recht, sondern zugleich eine Organkompe-
tenz wahr, indem sie am Rechtsetzungsprozess teilnehmen.“
Die politischen Rechte haben als Organkompetenzen verpflichten-
den Charakter. Der einzelne Stimmberechtigte hat als Teil eines staatli-
chen Organs, der Gesamtheit der Stimmberechtigten, die das ganze Volk
vertritt, an Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen.® Art. 3 VRG sta-
tuiert eine Bürgerpflicht.®
II. (Stimm-)Volk als Mitgesetzgeber und
das Sanktionsrecht des Landesfürsten
1. Sanktionsrecht des Landesfürsten
Das (Stimm-)Volk als Inhaber der Staatsgewalt, die es mit dem Landes-
fürsten teilt, nimmt über seine politischen Rechte an der Staatswillensbil-
dung nach Massgabe der Verfassung bzw. soweit es diese vorsieht, teil.
65 Wolfram Höfling, Grundrechtsordnung, S. 55 und 148.
66 Pierre Tschannen, Schutz der Grundrechte, S. 501 Rz. 32. Die politischen Volks-
rechte haben aufgrund ihrer spezifischen Eigenart nach herrschender Auffassung
eine Doppelfunktion. Vgl. Wolfram Höfling, Grundrechtsordnung, S. 148.
67 StGH 1979/7, Gutachten vom 11. Dezember 1979, LES 1981, S. 116 (117), wo der
Staatsgerichtshof ausführt: «Die politischen Rechte stellen verfassungsmässige Indi-
vidualrechte dar, was sich etwa im erhöhten Rechtsschutz des Individuums aus-
drückt. Sie bedeuten sodann Wahrnehmung einer Organfunktion durch Teilnahme
am Rechtssetzungsprozess.» Vgl. auch Wolfram Höfling, Grundrechtsordnung,
S. 55 und 148.
68 Vgl. Martin Batliner, Politische Volksrechte, S. 46 und 48 unter Bezugnahme auf
Zaccaria Giacometti, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, S. 209; Bern-
hard Ehrenzeller / Rafael Brägger, Politische Rechte, S. 643.
69 Eine Verletzung dieser Bürgerpflicht bzw. unentschuldigtes Fernbleiben wird nicht
mehr mit einer Ordnungsbusse bestraft. Art. 90 Abs. 2 VRG ist mit LGBl. 2004
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