Grundlegung
V. Wahl- und Abstimmungsfreiheit
In Anlehnung an die schweizerische Spruchpraxis definiert der Staatsge-
richtshof die Abstimmungsfreiheit wie folgt: «Die von der Verfassung
gewährleisteten staatsbürgerlichen Rechte geben dem Stimmbürger
einen Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt
wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und
unverfälscht zum Ausdruck bringt.» Diese Aussage schliesst auch die
Wahlfreiheit ein, die garantiert, dass die Stimmabgabe ungehindert und
ohne unzulässigen Druck vorgenommen werden kann. Die Verfassung
kennt zwar diesen Begriff nicht, doch bildet die geheime Wahl, wie sie in
Art. 46 Abs. 1 LV erwähnt ist, «den wichtigsten institutionellen Schutz
der Wahlfreiheit».5
Im Schrifttum ist in diesem Zusammenhang der Terminus «Wahl-
und Abstimmungsfreiheit» gebräuchlich. Diese Redewendung scheint
aber zu sehr auf den grundrechtlichen Aspekt der politischen Rechte aus-
gerichtet zu sein und ihre Organfunktion zu wenig mit einzubeziehen. Aus
diesem Grund wird die Begriffswahl für nicht «unbedenklich» gehalten.
$16 RECHTSCHARAKTER
DER POLITISCHEN RECHTE
I. Inhalt und Umfang
In einer gutachtlichen Äusserung vom 11. Dezember 1979 umschreibt
der Staatgerichtshof den dualistischen Rechtscharakter der politischen
55 StGH 1990/6, Urteil vom 2. Mai 1991, LES 4/1991, S. 133 (135 Erw. 2.1); SIGH
1993/8, Urteil vom 21. Juni 1993, LES 3/1993, 5. 91 (96 Erw. 2.1); STGH 2004/58, Ur-
teil vom 4. November 2008, Erw. 2.3 (im Internet abrufbar unter: <www.stgh.li>).
56 Wolfram Höfling, Grundrechtsordnung, S. 156.
57 Martin Batliner, Politische Volksrechte, S. 105 unter Bezugnahme auf Klaus Stern,
Staatsrecht, Bd. I, S. 314.
58 Vgl. Pierre Tschannen, Staatsrecht, S. 596 Rz. 10. Er plädiert dafür, von «Stimm-
recht» oder «politischen Rechten» zu sprechen, die «die Natur der Bürgerpartizipa-
tion als Individualrecht und Organfunktion angemessener zum Ausdruck» bringen;
siehe zur dualistischen Rechtsnatur der politischen Rechte im Folgenden.
59 StGH 1979/7, Gutachten vom 11. Dezember 1979, LES 1981, S. 116 (117).
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