Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

2. 
Sanktionsrecht 
Verfassung von 1921 
Diesen Rechtsstatus ändert die Verfassung von 1921, indem sie die Staats- 
gewalt im Fürsten und im Volk verankert, sodass sich das Sanktionsrecht 
des Fürsten nicht mehr aus der Staatsgewalt ableiten lässt. Der Fürst ist 
nicht mehr der alleinige Gesetzgeber. Um diesen Statusverlust auszuglei- 
chen, ist es erforderlich, dass die Verfassung dem Fürsten das Sanktions- 
recht zuspricht. Denn er soll im Gesetzgebungsverfahren das «letzte 
Wort» haben.25 Aus diesem Grund erwähnt sie das Sanktionsrecht und 
räumt dem Fürsten eigens in Art. 9 das Sanktionsrecht ein, das textlich 
allgemein und unbestimmt gehalten ist.”® Es wird auch in Art. 65 Abs. 1 
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Aufschlussreich sind in einer Rückschau auf die Verfassung von 1921 die verfas- 
sungspolitischen Standpunkte. Vgl. LVolksblatt Nr. 63 vom 9. August 1922 unter 
dem Titel «Die Demokratie marschiert». Es kritisiert die Eingangsformel der Ge- 
setze, die im Nachgang zur Verfassung in dem Sinne geändert worden ist, wonach 
nicht mehr der Fürst mit Zustimmung des Landtages ein Gesetz beschliesst, son- 
dern der Fürst einem vom Landtag gefassten Beschluss zustimmt (vgl. etwa LGBl. 
1922 Nr. 28 oder LGBl. 1922 Nr. 36). Eine solche Einleitungsformel sei mit Art. 9 
LV kaum mehr vereinbar, wonach jedes Gesetz zu seiner Gültigkeit der Sanktion 
des Landesfürsten bedürfe. Diese Verfassungsbestimmung sei «doch nur so zu ver- 
stehen, dass das vom Landtage beschlossene Gesetz der Sanktion des Fürsten be- 
dürfe, dass das letzte Wort beim Fürsten liege.» Es gehe eben darum zu verhindern, 
«dass die Monarchie wirklich zu einem blossen Schein herabgedrückt wird, dass 
nicht nur die Worte, sondern auch der Geist des II. Hauptstückes der Verfassung 
bestimmend sein und bleiben sollen.» Der Zeitungsartikel, der die Haltung der sei- 
nerzeitigen Mehrheitspartei, der Fortschrittlichen Bürgerpartei, wiedergibt, 
schliesst wie folgt: «Viele Leser mögen glauben, es handle sich um einen Kampf um 
Worte. In Wirklichkeit aber handelt es sich um Grundsätze und Rechte, um Schmä- 
lerung weiterer Rechte des Fürsten.» Dieser Kritik entgegnen die Oberrheinischen 
Nachrichten in ihrer Ausgabe Nr. 63 vom 12. August 1922 mit den Worten: «Die 
Einleitungsformel entspricht vollkommen der Verfassung. Die Staatsgewalt wird 
nach Artikel 2 der Verfassung vom Fürsten und Volke getragen und ausgeübt. Zu- 
erst hat sich in der Regel der Landtag mit einem Gesetz zu befassen, und diesem so 
beschlossenen Gesetze kann der Fürst seine Sanktion erteilen oder nicht. Die Ein- 
leitungsformel bringt den Werdegang des Gesetzes, aber auch die verfassungsrecht- 
liche Stellung der gesetzgebenden Organe zum Ausdruck. Die frühere Formel war 
in dieser Hinsicht nicht genau, und sie entspricht schon gar nicht mehr dem Geiste 
der neuen demokratischen Verfassung. [...] Nach Artikel 2 der Verfassung haben 
wir eine Monarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage. Dieser 
Verfassungsgrundsatz ist wie jeder andere einzuhalten, und in anderer Weise darf in 
Liechtenstein nicht mehr regiert werden.» Vgl. auch Herbert Wille, Landtag und 
Wahlrecht, 5. 128 ff. 
Es ist auch im Verfassungsentwurf von Wilhelm Beck in Art. 31 Abs. 1 enthalten. 
Siehe O.N. Nr. 48 vom 16. Juni 1920. 
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