Begnadigung und Niederschlagung von Strafverfahren
sind. Der Landesfürst könne aber nur Resolutionen erlassen, wenn der
Regierungschef sie beantragt. Eine solche Rechtsansicht teilt Ernst Pap-
permann?® nicht und hält ihr entgegen, dass der Fürst als Staatsober-
haupt auch von sich aus tätig werden und eigene Initiativen verfolgen
könne, wie dies etwa auch auf Begnadigungen in Einzelfällen zutrifft. Er
ist sich jedoch nicht schlüssig, ob ein Gnadenakt der Kontrasignatur
bedarf, da die Praxis in dieser Frage uneinheitlich ist. Für Christine
Weber?® sind es einerseits der besondere Charakter der Strafe und ande-
rerseits die bedeutende Stellung und die weitreichenden Kompetenzen,
die der Landesfürst in der Verfassung einnimmt, die einen «Verzicht auf
das Gegenzeichnungserfordernis» als angezeigt erscheinen lassen.?* Die
Verfassung habe «bewusst die Schwelle zur parlamentarischen Monar-
chie nicht überschritten».
Betrachtet man die Begnadigung im engeren und weiteren Sinne als
eine ihrem Wesen nach freie, nicht rechtfertigungsbedürftige Entschei-
dung,?®5 ist davon auszugehen, dass dieser Hoheitsakt des Landesfürsten
nicht gegenzeichnungspflichtig ist.?%
Eine Änderung des Bedeutungsgehalts kann beim Begnadigungs-
recht des Landesfürsten aufgrund der Entstehungsgeschichte ausge-
schlossen werden. Sie belegt, dass es nicht zu einer Verrechtlichung der
Gnade gekommen ist. Ein «rechtsfreier» Gnadenakt kann aber nicht
Rechte eines Gnadenwerbers verletzen, sodass sich die Frage der staats-
rechtlichen Verantwortlichkeit für Gnadenakte des Landesfürsten nicht
stellt bzw. das Gegenzeichnungserfordernis nicht gegeben ist.?”
202 Ernst Pappermann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 92 und 95 f.
203 Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 253 ff. (255, 257).
204 Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 260 hält aber die Begnadigung und
Strafmilderung zugunsten von Regierungsmitgliedern im Sinne von Art. 12 Abs. 2
IM, die nur auf Antrag des Landtages erfolgen kann, für gegenzeichnungspflichtig,
da die Einhaltung dieser Einschränkung überprüfbar sei.
205 Christian Mickisch, Die Gnade im Rechtsstaat, S. 162.
206 Vgl. auch Klaus Stern, Staatsrecht, Bd. IT, S. 265.
207 Vgl. Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 259.
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