Ausschliesslicher Kompetenzbereich des Landesfürsten — Alleinzuständigkeiten
Nach Andreas Schurti” bleibt das Polizeirecht an das ordentliche Recht
gebunden, während das Notrecht eine «ausserordentliche Rechtsord-
nung auf Verfassungs-, Gesetzes und Verordnungsstufe darstellt», da es
nicht wie dieses «elementare Interessen des Staates oder gar dessen
Bestand» schützt. Das Polizeirecht zielt auf den Schutz der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung, d. h. die polizeilichen Schutzgüter.® Unter die-
sem Aspekt ist beispielsweise die Fürstliche (Not-)Verordnung vom 13.
Juli 1982 dem Polizeirecht und nicht dem Notstandsrecht zuzuordnen.”
Das Notrecht unterscheidet sich auch vom Dringlichkeitsrecht,
wonach der Landtag bei zeitlicher Dringlichkeit und sachlicher Not-
wendigkeit ein Gesetz oder einen Finanzbeschluss als dringlich erklären,
d. h. dem Referendumsrecht der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen
entziehen kann.!® In diesem Zusammenhang ist das öffentliche Interesse
bestimmend. Demgegenüber wendet das Notrecht Gefahren ab, die die
Existenz des Staates bedrohen. In der Lehre und Praxis werden das
Staatsnotrecht und das Dringlichkeitsrecht vermengt.!°!
IV. Verhältnis zu anderen Staatsorganen
Der Fürst hat im Falle des Notstandes umfangreiche Vollmachten. So ist
er befugt, die entsprechenden administrativen, legislativen und judikati-
setz), LGBI. 1933 Nr. 8; siehe Andreas Schurti, Das Verordnungsrecht der Regie-
rung, S. 250 f.
97 Andreas Schurti, Das Verordnungsrecht der Regierung, S. 244 f.
98 Zu den polizeilichen Schutzgütern und zur Polizeigeneralklausel siehe Herbert
Wille, Verwaltungsrecht, S. 465 ff. bzw. S. 536 ff.
99 So zu Recht Andreas Schurti, Das Verordnungsrecht der Regierung, S. 245 Fn. 2.
100 Vgl. Andreas Schurti, Das Verordnungsrecht der Regierung, S. 245 ff. und S. 153 f.;
Gerard Batliner, Parlament, 5. 23 f.
101 Vgl. Ernst Pappermann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 132; Chri-
stine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 248 f., die die Notverordnungen in Bezug
auf die Inkraftsetzung des schweizerischen Betäubungsmittelgesetzes, LGBI. 1982
Nr. 49, und die Verhängung von Boykottmassnahmen gegen den Irak, LGBl. 1990
Nr. 47, als Fälle des «Gesetzgebungsnotstandes» bezeichnet, den sie dem Staatsnot-
stand gleichsetzt, obwohl die Existenz des Fürstentums Liechtenstein nicht bedroht
gewesen ist. Rene Rhinow, Rechtsgutachten, S. 64 weist daher darauf hin, dass ein
solcher «Gesetzgebungsnotstand» nicht mit einem Staatsnotstand zu vergleichen ist.
Dazu steht das Dringlichkeitsrecht zur Verfügung, sodass das verfassungsrechtlich
vorgesehene Gesetzgebungsverfahren einzuhalten ist.
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