Staatsrecht und Hausrecht
2. Ergebnis
Die Frage, ob der Erlass oder die Änderung des Hausrechts des Fürstli-
chen Hauses dem von der Verfassung vorgegebenen Verfahren und der
Mitwirkung des staatlichen Gesetzgebers unterliegen, ist aufgrund der
Staatspraxis noch nicht abschliessend beantwortet.
Was die verfassungsrechtliche Regelung angeht, so ist festzustellen,
dass 1921 das Hausrecht der Fürstlichen Familie, namentlich auch staats-
relevante Materien wie die Thronfolge, Volljährigkeit und Vormund-
schaft von Fürst und Erbprinz nicht im Wortlaut in die Verfassung inte-
griert worden ist.!!° Demgegenüber wurde 1984 die Stellvertretung des
Landesfürsten «bei längerer Abwesenheit vom Lande» in der Verfassung
geordnet.!!7 Auch die 2003 erfolgte Neufassung der Stellvertretung des
Landesfürsten in Art. 13bis und die Regelung des Misstrauensantrages
gegen den Landesfürsten in Art. 13ter LV schliesst sich diesem Vorgehen
an. Sie wurden nicht als eine dem Hausgesetz vorbehaltene Frage, son-
dern als eine «Angelegenheit des staatlichen Rechts» angesehen, !!® sodass
116 Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 267 weist darauf hin, dass der Wortlaut
des Art. 3 LV nicht erkennen lasse, dass das autonome Hausrecht in einen Teil der
Verfassung hätte umgewandelt werden sollen. Edwin Loebenstein, Die Stellvertre-
tung des Landesfürsten, S. 82 meint, dass dem Hausgesetz der Charakter einer au-
tonomen Rechtsbildung zuzuerkennen sei. Diese Wirkung sei durch die Änderung
der Verfassung nicht verloren gegangen. Das Hausgesetz sei vielmehr in seiner Gül-
tigkeit bekräftigt worden. Siehe auch den Verfassungsentwurf von Wilhelm Beck,
O.N. Nr. 48 vom 16. Juni 1920. Dieser enthält in Art. 29 Abs. 3 und 4 die Bestim-
mungen: Die Regierungsrechte sind erblich im fürstlichen Hause Liechtenstein nach
Massgabe der Hausgesetze und dieser Verfassung (Abs. 3). Nach den Hausgesetzen
wird die Grossjährigkeit des Landesfürsten und des Erbprinzen sowie allenfalls die
Vormundschaft geordnet (Abs. 4). Wilhelm Becks Verfassungsentwurf anerkennt
also die Hausgesetze, bindet sie aber an die Verfassung, die die Grundlage bildet. Es
fällt auf, wie Wilfried Marxer, Das Hausgesetz des Fürstenhauses, S. 61 bemerkt,
dass damals bei der Entstehung der Verfassung von 1921 von der hausrechtlichen
Materie («Hausgesetzthematik») kaum Notiz genommen worden ist.
117 Siehe Art. 13 Abs. 2 LV 1921.
118 Edwin Loebenstein, Die Stellvertretung des Landesfürsten, S. 84; zur Regelung im
Hausrecht siehe Georg Schmid, Das Hausrecht der Fürsten von Liechtenstein, S. 52.
Es sollten die staatsrelevanten Materien des Hausgesetzes wie beispielsweise die
Thronfolge in der Verfassung geregelt werden. Der Verfassungsentwurf des ständi-
schen Verfassungsrates vom 1. Oktober 1848 regelt im Unterschied zur KV 1862
und LV 1921 das Hausrecht bzw. die den Fürsten betreffenden Bestimmungen
(«konstitutionelle Fürstenwürde») in den $$ 40-46. Siehe schon vorne S. 258 f. Er
266