Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Hausgesetzliche Regelungen 
«mithin vorbehaltsfreie Materie durch Präokkupierung zu Gesetzes- 
recht gemacht», da gemäss $ 3 der Konstitutionellen Verfassung von 
1862 der Erlass dieses materiellen Verfassungsrechts dem Fürsten allein 
zugekommen wäre. Die Verfassung verwehrte es aber den Fürsten nicht, 
dem Landtag Materien zu unterbreiten, die ausschliesslich in seiner 
Kompetenz lagen. 
Die Entstehungsgeschichte weist den Fürsten als eigentlichen 
Gesetzgeber aus, der in seiner Eigenschaft als Familien- und Staatsober- 
haupt auftritt.” Darauf deutet einerseits der Ingress des Gesetzes hin, 
der die Zustimmung des Landtages nicht erwähnt. Andererseits beruft 
sich der Familienvertrag von 1893, der den gesetzgeberischen Anlass bil- 
det, ausdrücklich auf die Familienautonomie. Auch die Art und Weise, 
wie es zu diesem Gesetz gekommen ist, verdeutlicht, dass der Landtag 
seiner mitentscheidenden Position im Gesetzgebungsverfahren kaum 
gerecht werden konnte, auch wenn verfassungsrechtlich der Landesfürst 
als Gesetzgeber galt. Es heisst denn auch im Einberufungsdekret vom 
7. März 1895, dass die fürstliche Regierung «dem löblichen Landtag ein 
Hausgesetz betreffend die Bestimmungen über die Vermählungen der 
Fürsten und Prinzen des hochfürstlichen Hauses zur gefälligen schleu- 
nigen Beratung und Zustimmungserklärung» übermittle.® In der aus- 
serordentlichen Landtagssitzung vom 7. März 1895,” die eigens vom 
Fürsten einberufen wurde, sind die entsprechenden Verfahrensvorschrif- 
ten zwar eingehalten worden,!® die Beratung dieses «von Sr. Durch- 
laucht intendierten Gesetzes» erschöpfte sich aber gewissermassen in 
ten seine Verfassung anders auslegte oder etwa dem Landtag wohlwollend das 
Hausgesetz vorlegte, sei dahingestellt. Jedenfalls kann auch auf dem Feld der Haus- 
gesetze die stetige und ausgeprägte Kompromissbedürftigkeit des konstitutionellen 
Systems erkannt werden.» 
9% So Cyrus Beck, Der Vorbehalt des Gesetzes der liechtensteinischen konstitutionel- 
len Verfassung von 1862, S. 161. 
97 Siehe den Ingress des Gesetzes, LGBl. 1895 Nr. 1, der wie folgt beginnt: «Wir 
Johann II. von Gottes Gnaden souveräner Fürst und Regierer des Hauses von und 
zu Liechtenstein [...]». 
98 Siehe das Einberufungsdekret vom 7. März 1895 zur ausserordentlichen Landtags- 
sitzung vom 7. März 1895, LLA, Landtagsprotokolle 1895. 
99 Siehe das Protokoll der ausserordentlichen Landtagssitzung vom 7. März 1895, 
LLA, Landtagsprotokolle 1895. 
100 Der Zustimmung des Landtages ging gemäss $ 17 Geschäftsordnung, LGBl. 1863 
Nr. 1, eine «Commissionelle Berathung» voraus. 
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