Staatsrecht und Hausrecht
2. Staatspraxis
Es wurden unter der Konstitutionellen Verfassung von 1862 gegen Ende
des 19. Jahrhunderts hausrechtliche Angelegenheiten, die eine staats-
rechtliche Relevanz aufwiesen, wie dies beim Gesetz vom 14. März 1895
betreffend die hausgesetzlichen Bestimmungen über die Eheschliessun-
gen der Fürsten und Prinzen des fürstlichen Hauses der Fall war, dem
Landtag zur Zustimmung vorgelegt,” die von ihm auch einstimmig
gegeben wurde.
Aus dem Ingress des Gesetzes, das von der Regierung im Auftrag
des Landesfürsten im Landtag eingebracht worden ist, ergibt sich, dass
Fürst Johann II. beschlossen hat, «in Ausführung der zwischen den
Agnaten Unseres fürstlichen Hauses vereinbarten Bestimmungen über
die Vermählung der Fürsten und Prinzen Unseres Hauses», ein «diesem
Zwecke dienendes Familiengesetz zu errichten.» Es soll durch die Auf-
nahme in das Landesgesetzblatt verbindliche Kraft erhalten. Aus diesem
Grund kleidete man den Familienvertrag vom 11. September 1893 in die
Form eines Gesetzes. Mit der Zustimmung des Landtages wurde er zum
formellen Gesetz und damit für den Staat rechtsverbindlich.?
Das Gesetz beinhaltet zweifelsohne staatsrelevantes Hausrecht, das
für eine Zustimmung des Landtages spricht, weil u. a. die Vorschriften
über die Bewilligung von Ehen der Mitglieder des Hauses und die Defi-
nition der Standesgemässheit im Zusammenhang mit der erblichen
Thronfolge stehen. Damit wurde aber, wie Cyrus Beck® dies nennt, eine
von Liechtenstein, S. 160 ff. Vgl. auch Friedrich F. G. Kleinwaechter, Die neueste
Rechtsentwicklung, S. 366 f. und Cyrus Beck, Der Vorbehalt des Gesetzes der liech-
tensteinischen konstitutionellen Verfassung von 1862, S. 155 f.
92 Siehe LGBl. 1895 Nr. 1. Dieses Familiengesetz wurde nach erfolgter Zustimmung
des Landtages im Jahre 1902 mit Gesetz vom 10. Dezember 1902, LGBl. 1902 Nr. 2,
sistiert bzw. ausser Kraft gesetzt. Zur Begründung siehe Albert Schädler, Landtag,
JBL Bd. 4 (1904), S. 41 und JBL Bd. 12 (1912), S. 16. Siehe auch Cyrus Beck, Der
Vorbehalt des Gesetzes der liechtensteinischen konstitutionellen Verfassung von
1862, 5. 159 ff.
93 Vgl. Albert Schädler, Landtag, JBL Bd. 4 (1904), S. 40. Die einhellige Zustimmung
des Landtages erhielten auch weitere einschlägige Gesetze, wie sie Wilfried Marxer,
Das Hausgesetz des Fürstenhauses, S. 10 f. auflistet.
94 Siehe Art. 5, LGBl. 1895 Nr. 1.
95 Cyrus Beck, Der Vorbehalt des Gesetzes der liechtensteinischen konstitutionellen
Verfassung von 1862, S. 162. Er hält dazu fest: «Ob Fürst Johann II. nach Jahrzehn-
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