Demokratisierung und Parlamentarisierung der konstitutionellen Erbmonarchie
3. Verfahrensrechtliche und inhaltliche Änderungen
a) Entlassungsverfahren
Die bisherige Regelung hat nachstehende verfassungsrechtliche Ände-
rung erfahren: Die Befugnis zur Ausübung des Amtes erlischt für die
Kollegialregierung, wenn sie das Vertrauen des Landesfürsten oder des
Landtages verliert,?” währenddem ein einzelnes Regierungsmitglied in
einem solchen Fall nicht ipso iure die Befugnis zur Ausübung seines
Amtes verliert. Landesfürst und Landtag haben einvernehmlich eine ent-
sprechende Entscheidung zu treffen. Bis zur Ernennung des neuen
Regierungsmitgliedes hat sein Stellvertreter die Amtsgeschäfte fortzu-
führen. Die Verfassung stellt in Art. 80 gegenüber der alten Fassung klar,
dass sowohl das einzelne Regierungsmitglied als auch die Regierung als
Ganzes (Kollegialregierung) in der Verantwortung gegenüber Landes-
fürst und Landtag stehen. In seiner Stammfassung und auch in der 1965
geänderten Fassung hat er sich im Wortlaut nur auf das einzelne Mitglied
der Regierung?® und nicht auch auf die Gesamtregierung (Kollegialre-
gierung) bezogen. Dennoch war in der Lehre? unbestritten, dass auch
eine Verantwortlichkeit der Kollegialregierung als solcher bestand, von
der Art. 78 Abs. 1 LV von Anfang an ausging, der von einer «dem Lan-
desfürsten und dem Landtag verantwortliche(n) Kollegialregierung»
spricht. Würde man ihr eine Verantwortlichkeit absprechen, würden
237 Diese Bestimmung geht auf eine Auffassung zurück, die die Landtagskommission
anlässlich der Novellierung von Art. 80 LV in ihrem Kommissionsbericht (Land-
tagsprotokoll 1964 IT) vertreten hat (siehe Stellungnahme der Regierung vom
26. November 2002, Nr. 135/2002, S. 41 ff.), wonach die Regierung bzw. jedes ein-
zelne Regierungsmitglied während der gesamten Amtsdauer vom Vertrauen des
Landesfürsten und des Landtages getragen sein muss. Wenn auch nur ein Teil, der
Landesfürst oder der Landtag, das Vertrauen entzieht, hat eine Amtsenthebung
stattzufinden. Siehe Landtagsprotokoll 1964 IT, S. 566 ff. (567). Vgl. auch Walter
Kieber, Regierung, Regierungschef, Landesverwaltung, S. 297 ff.; a. A. Christine
Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 316 f. und Gerard Batliner, Aktuelle Fragen,
5.36 ff.; zur Verfassungsänderung 1965 siehe auch Herbert Wille, Der parlamentari-
sche Charakter der Regierung, 5. 9 ff.
238 Nach Meinhard Schröder, Bildung, Bestand und parlamentarische Verantwortung,
S. 1153 Rz. 53 entspricht dieser «individuelle Grundcharakter» dem kontinental-
europäischen Ursprung der Ministerverantwortlichkeit.
239 Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 308 mit weiteren Hinweisen.
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