Demokratisierung und Parlamentarisierung der konstitutionellen Erbmonarchie
IV. Charakterisierung des Regierungssystems
1. Fragestellung
Das Ausmass der Parlamentarisierung der Regierung lässt sich an ihrer
Stellung ablesen, die sie in der Verfassungsordnung von 1921 einnimmt.
Die Regelung ihres Verhältnisses zu Landesfürst und Landtag gibt Auf-
schluss über die Regierungsform und mithin über die Weiterentwicklung
des monarchisch-konstitutionellen Verfassungsrechts, dem eine Parla-
mentarisierung der Regierung noch fremd war. Das monarchische Prin-
zip, das der Konstitutionellen Verfassung von 1862 zugrunde lag, ver-
schloss sich einer Mitsprache der Volksvertretung an der Regierungsge-
walt, die allein der Fürst innehatte. Inwieweit die Verfassung in der
Ausgestaltung der Novelle von 1965215 das Regierungssystem der kon-
stitutionellen Erbmonarchie parlamentarisiert, ist in Hinsicht auf die
Bestellung und Abberufung bzw. die politische Verantwortlichkeit der
Regierung und der einzelnen Regierungsmitglieder zu prüfen.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der
Regierung neu eine «eigene Entscheidungsmacht» zukommt, denn ohne
diese könnte nicht von Verantwortung gesprochen werden.216
2. Verfassungslage von 1921
a) Einvernehmliche Entlassung bzw. Abberufung
Die Verfassungslage vermittelt unverkennbar ein Bild, wonach die in
Art. 79 und 80 der Verfassung von 1921 getroffene Regelung mit Blick
auf die Genese dieser Bestimmungen und den für die Verfassungsord-
nung richtunggebenden Art. 2 den Schluss zulässt, dass ein einvernehm-
liches Zusammenwirken nicht nur für die Bestellung, sondern auch für
die Entlassung der Regierung oder eines Regierungsmitgliedes gelten
215 LGBl. 1965 Nr. 10.
216 Vgl. Christoph Brüning, Der informierte Abgeordnete, S. 515 unter Bezugnahme
auf Peter Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister, S. 574.
Zum «selbständigen Regierungsrecht» der Kollegialregierung siehe nur Dietmar
Willoweit, Verfassungsinterpretation im Kleinstaat, S. 204 ff.
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