Demokratisierung und Parlamentarisierung der konstitutionellen Erbmonarchie
b) Begriffsbildung
Der Begriff der parlamentarischen Regierung im Sinne einer «mit der
Mehrheit der Volksvertretung gebildeten, von ihrem Vertrauen abhängi-
gen und nicht nur hinsichtlich der Gesetzmässigkeit, sondern auch in
Hinblick auf die allgemeine Ausrichtung der Verwaltung» kontrollierten
Regierung setzte sich in den deutschen Staaten erst nach 1840 durch.
Vorher wird dieses Wort «eher als wahrer, echter, aufrichtiger Konstitu-
tionalismus verstanden» und ist noch nicht «auf einen spezifischen
Bedeutungsgehalt festgelegt».!7* Es hat sich in diesem Zusammenhang
dann auch für die parlamentarische Verantwortlichkeit im Verlaufe des
19. Jahrhunderts der Terminus «politische» Verantwortlichkeit einge-
bürgert.!75
2. Forderung nach einer Parlamentarisierung der Regierung
Die Forderung nach einer «Demokratisierung» bzw. «Parlamentarisie-
rung» der Regierung wurde während des Ersten Weltkrieges unüberhör-
bar und rückte nach der Wahl eines Vollzugsausschusses, die der Land-
tag am 7. November 1918 vornahm,!7® ins Zentrum der Verfassungsdis-
kussion. Dieser Vorgang unterstreicht, dass der Landtag versucht,
Einfluss auf die Bestellung und Abberufung der Regierung zu gewinnen.
Er reklamiert für sich nicht nur einen Anteil an der Gesetzgebung, son-
dern viel weiter gehend auch einen Anteil an der Regierungsgewalt, die
bis anhin völlig im Machtbereich der Regierung lag. Die Institution der
Regierung in ihrer damaligen Ausgestaltung ist nicht mehr tragfähig. Sie
lässt sich ohne das Volk nicht mehr legitimieren. Da der Landtag noch
nicht Mitinhaber der Regierungsgewalt ist, musste der Landesfürst bei
der Auswahl seiner Regierung bzw. des Landesverwesers keine Rück-
sicht auf den Landtag nehmen. Er bestätigte denn auch den Vollzugs-
ausschuss nicht und betraute an seiner Stelle Prinz Karl von Liechten-
174 Manfred Botzenhart, Deutscher Parlamentarismus in der Revolutionszeit, S. 54.
175 Klaus Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit, S. 16.
176 Zum Vorgang und zur Begründung des Initiativantrages vom 14. Oktober 1918
betreffend die Einführung einer parlamentarischen (Volksmit-)Regierung siehe
Herbert Wille, Monarchie und Demokratie, S. 170 ff; Rupert Quaderer-Vogt,
Bewegte Zeiten, Bd. 2, 5. 76 ff.; siehe auch vorne S. 147 f.
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