Parlamentarische Regierungsteilhabe
wobei sie sich auf die Art. 79 und 80 bezieht, die den Bestand, d. h. die
Bestellung und Abberufung der Regierung bzw. einzelner Regierungs-
mitglieder regeln. Den Materialien lässt sich nur entnehmen, dass diese
Verweisung der näheren Umschreibung des Regierungssystems dienen
soll.!°7 Wie schon aus der Entstehungsgeschichte hervorgeht, ist es nicht
zu einer eigentlichen Parlamentarisierung der Regierung gekommen.!®
Es sind in der Zeit davor zwar Bestrebungen im Gange, die auf eine Par-
lamentarisierung der Regierung bzw. des Landesverwesers hindeuten.
Im Verfassungsentwurf des ständischen Verfassungsrates vom 1. Okto-
ber 1848 sind Ansätze in dieser Richtung zu erkennen. Er sieht eine Ver-
antwortlichkeit in der Form einer Anklage vor.!® So ist nach $$ 34 und
96 der Landesverweser als Regierungsvorsteher dem Landrat verant-
wortlich, der ihn «wegen Verletzung der Verfassung oder der Gesetze
und pflichtwidrigen Verausgabung der Staatseinnahmen>» in den Ankla-
gezustand versetzen kann ($ 90). Eine solche Klage gehörte damals noch
in die Kategorie rechtsstaatlicher Sicherungen des konstitutionellen
Staates, da sie einen Rechtsverstoss voraussetzte.!”° Eine weitergehende
Verantwortlichkeit gegenüber dem Landrat wurde nicht in Betracht
gezogen. Der Verfassungsentwurf teilt denn auch dem Fürsten die aus-
schliessliche Kompetenz über die Exekutive zu.!7!
Die Konstitutionelle Verfassung von 1862 sieht in der Folge auch
von einer Justizförmigen Verantwortlichkeit des Landesverwesers bzw.
der Regierung ab und gesteht dem Landtag lediglich eine Beschwerde
zu, die er «unmittelbar» an den Landesfürsten richten kann.!7? Die Exe-
kutive war sein ausschliesslicher Zuständigkeitsbereich.!”?
167 So der Bericht über die Beschlüsse der Verfassungskommission, zitiert nach Herbert
Wille, Regierung und Parteien, S. 113; ders., Landtag und Wahlrecht, S. 126; Rupert
Quaderer, Der historische Hintergrund der Verfassungsdiskussion, S. 133.
168 Nach Gerard Batliner, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 79
handelt es sich beim liechtensteinischen Regierungssystem um «kein reines parla-
mentarisches System».
169 Nach Dieter Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 260 Rz. 13 strebte die
Mehrheit in der Paulskirche eine «parlamentarische Regierung», also die Abhängig-
keit des Ministeriums von der Parlamentsmehrheit, an.
170 Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, S. 461.
171 Siehe $ 37. Danach wählt der Fürst «den Landesverweser von sich selbst».
172 Siehe $ 42 KV 1862 und dazu Herbert Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 14 f.
173 Siehe $$ 27 und 28 KV 1862.
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