Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Verfassungshoheit und Teilung der Staatsgewalt 
fassungsgerichtsbarkeit installiert werden.!? Nach Art. 112 der Verfas- 
sung von 1921123 entscheidet der Staatsgerichtshof.!?* Eine solche Insti- 
tution bedingt, dass die Verfassung die normative Grundlage jedweder 
staatlichen Gewalt ist!?® und nicht nur organisierendes und begrenzen- 
des Element der staatlichen Herrschaftsausübung.!?* Sie hat im Kon- 
fliktfall auch Vorrang gegenüber anderen Rechtsnormen. Dem ent- 
spricht, dass verfassungsändernde und gesetzgebende Gewalt sich von- 
einander abheben.!?”7 Dafür kennzeichnend ist die erschwerte 
Abänderbarkeit der Verfassung. 
Die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit verträgt sich weder 
mit dem monarchischen Prinzip noch mit einer dualistischen Legitima- 
tionsordnung, wie sie der Konstitutionellen Verfassung von 1862 eigen 
war. Sie setzt eine Verfassung voraus, die für Fürst und Volk als Träger 
der Staatsgewalt die gemeinsame Legitimationsgrundlage bildet. Die 
Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Gesetzen und Regierungsver- 
ordnungen!?8 verlangt, dass der Verfassung ihnen gegenüber ein norma- 
tiv höherer Rang zukommt. Dabei ist eine inhaltliche Kontrolle nur 
möglich, sofern die Verfassung auch materielle Massstäbe zur Verfügung 
hält. Neben diesem Vorrang der Verfassung setzt eine Normenkontrolle 
Gewaltenteilung voraus. Die prüfende Instanz muss von derjenigen, 
deren Akte kontrolliert werden sollen, funktionell wie organisatorisch 
verschieden sein.!?? 
Diese neue Verfassungslage erklärt, warum es im konstitutionell- 
monarchischen System der Verfassung von 1862 eine solche unabhän- 
gige Einrichtung wie den Staatsgerichtshof nicht geben konnte, die ver- 
bindlich entschied. $ 122 sah bei Verfassungszweifeln lediglich eine Ent- 
  
122 Im Verfassungsstaat gibt es denn auch nach Gerard Batliner, Einführung in das 
liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 56, keinen Souverän mehr. 
123 Aufgehoben durch LGBl. 2003 Nr. 186. 
124 Vgl. Gerard Batliner, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 26 f. 
und 99 f.; Herbert Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 25 f. und 30 ff. 
125 Vgl. Gerard Batliner, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 57. 
126 Vgl. Rainer Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates, S. 90 Rz. 64. 
127 Vgl. Art. 64 und 66 sowie 112 Abs. 2 LV. 
128 Siehe Art. 104 Abs. 2 LV 1921. 
129 Vgl. Christoph Gusy, Richterliches Prüfungsrecht, S. 9; für Liechtenstein insbeson- 
dere Herbert Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein, 
S. 22 ff., ders., Normenkontrolle, S. 61 f. 
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