Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Monarchischer Konstitutionalismus 
souveränität entzog aber jedem Anklang an ein fürstliches Gottesgna- 
dentum die rechtliche Grundlage.5% Die Souveränität lag beim Staat. Der 
Fürst war ausführendes Organ. Er erscheint in dieser Konstruktion als 
in den Staat und dessen Recht eingebunden, als Teil des Staates oder als 
«Staatsorgan».5° Die Gottesgnadenformel galt nur noch als ein pietät- 
voll zu wertendes Überbleibsel der monarchischen Tradition, als ein 
dem Monarchen zustehendes Ehrenrecht. «Rechte am Thron» liessen 
sich jedenfalls nach Auffassung der Staatsrechtslehre zu Beginn des 20. 
Jahrhunderts aus der Gottesgnadenformel nicht mehr herleiten. Auch 
soweit man den fürstlichen Familien ein vom Staat unabhängiges Recht 
an der Krone zugestand, brachte man es in keinerlei kausalen Zusam- 
menhang zur Gottesgnadenformel.5!! Die Thronbesteigung eines Fürs- 
ten entspringt vielmehr seiner Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, das 
die verfassungsmässige Herrschaft in einem Staat ausübt. 
Die Gottesgnadenformel als Legitimationsbegründung entfaltet 
eine «staunenswerte Beharrungskraft»,52? wenn man einen Blick auf die 
Auseinandersetzungen um die Verfassung von 1921 wirft. So möchte 
z.B. der Verfassungsentwurf des Prinzen Karl von Liechtenstein von 
1920 das monarchische Prinzip fortschreiben, wenn er auf $ 2 der Kon- 
stitutionellen Verfassung von 1862 rekurriert.>? Die Gottesgnadenfor- 
mel ist auch nach der Revision von 2003 im Ingress der geltenden Ver- 
fassung von 1921 erhalten geblieben,5!* obwohl sie als verfassungsrecht- 
liche Legitimationsbegründung nicht mehr nachvollziehbar ist. Ihr liegt 
die Vorstellung zugrunde, wonach der Landesfürst «die Staatsgewalt als 
508 Henning Uhlenbrock, Der Staat als juristische Person, S. 56; siehe auch Peter Gei- 
ger, Geschichte, S. 109. 
509 Hans Boldt, Monarchie im 19. Jahrhundert, S. 208; vgl. auch Pierre Raton, Liech- 
tenstein, S. 44, der aus $ 123 KV 1862 folgert, dass der Fürst nicht über der Verfas- 
sung stehe. Er sei gehalten, bevor er die Erbhuldigung entgegennehme, schriftlich zu 
versprechen, dass er gemäss der Verfassung und den Gesetzen regieren werde. Die 
Herrschaft des Gesetzes ersetze den Grundsatz der Monarchie von Gottes Gnaden. 
510 Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 277, 526 ff. 
511 Hermann Rehm, Modernes Fürstenrecht, 5. 7 ff. 
512 Formulierung in Anlehnung an Werner Heun, Die Struktur des deutschen Konsti- 
tutionalismus, S. 380. 
513 Siehe dazu Herbert Wille, Regierung und Parteien, S. 92 ff. und 105 ff. 
514 Vgl. zum Einfluss der katholischen (Landes-)Kirche Herbert Wille, Monarchie und 
Demokratie als Kontroversfragen, 5. 166 ff. 
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