Zentrale Verfassungsfragen
nichts ändern.“ Sie versuchte, die Einheit der Staatsgewalt aufrechtzu-
erhalten und die Teilhabe der Volksvertretung an der Gesetzgebung, die
nach der Lehre von Jean Bodin die Kernkompetenz der Souveränität
ausmachte, nicht als Gewaltenteilung erscheinen zu lassen. Fest stand,
dass der Fürst durch die verfassungsrechtliche Selbstbindung bereits
einen Teil seiner ursprünglichen Souveränität als pouvoir constituant
eingebüsst hatte.‘ Unerheblich war in diesem Zusammenhang, dass
dem Fürsten das alleinige Sanktionsrecht zustand und ein Beschluss des
Landtages ohne Sanktion nicht zum Gesetz wurde, denn der Fürst
konnte — wie gesagt — ebenso wenig wie der Landtag allein ein Gesetz
geben, ändern oder aufheben. Das Zusammenwirken beider Staatsor-
gane war unbedingt erforderlich.** Dem Landtag stand es denn auch
frei, auf eine Gesetzesvorlage der fürstlichen Regierung einzutreten.
Demnach steht die Herrschaftsgewalt nicht mehr in vollem Umfang
dem Fürsten zu. Solange man aber vom Dogma der alleinigen Souveräni-
tät bzw. Unteilbarkeit der Souveränität des Fürsten*®5 nicht abrückte,
konnte das monarchische Prinzip mit dem realen Verfassungsrecht nicht
in Einklang gebracht werden.*® Eine Teilung der Souveränität zwischen
Monarch und Volksvertretung kam aber nicht in Betracht, da sie mit der
Souveränitätslehre von Jean Bodin, wonach sie als die höchste und abso-
lute, ungebundene und unteilbare Gewalt innerhalb des Staates verstan-
den und im damaligen Staatsrecht auch gelehrt wurde, nicht vereinbar
war. Die rechtliche Einheit des Staates konnte nur in der Einheitlichkeit
nehmen ist, «dass nach den deutschen Bundesgesetzen die höchste Staatsgewalt in
der Person des Monarchen ungeteilt erhalten bleiben müsse und nur durch land-
ständische Mitwirkung in der Ausübung eingeschränkt werden dürfe.»
462 Dieser verfassungsrechtliche Formelkompromiss konnte jedenfalls nicht verbergen,
dass der Fürst unter den Geltungsbedingungen der Konstitutionellen Verfassung
von 1862 nicht mehr der alleinige Herr des Gesetzgebungsverfahren war. Vgl. Die-
ter Wyduckel, Ius Publicum, S. 233. Nach Stefan Korioth, «Monarchisches Prin-
zip», S. 29 gab die Unterscheidung zwischen monarchischer Innehabung der Staats-
gewalt und möglichen Bindungen bei ihrer Ausübung der zeitgenössischen Staats-
rechtslehre und gibt der Verfassungsgeschichtsschreibung noch immer Anlass zu
kontroversen Deutungen.
463 Volker Haas, Strafbegriff, Staatsverständnis und Prozessstruktur, S. 72.
464 Dietrich Jesch, Gesetz und Verwaltung, 5. 87 f.
465 Dietrich Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 82.
466 Henning Uhlenbrock, Der Staat als juristische Person, S. 36.
133