Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Monarchischer Konstitutionalismus 
struktion von 1862 zu den wichtigen Angelegenheiten, die zur «unmittel- 
baren Behandlung vor den Fürsten gehören». 
Dem Landtag kommt lediglich das Recht zu, «Staatsdiener»? 
wegen «Verletzung der Verfassung, Veruntreuung öffentlicher Gelder, 
Erpressung, Bestechung oder gröbliche Hintansetzung ihrer Amts- 
pflichten» auf dem Beschwerdeweg unmittelbar an den Landesfürsten 
heranzutragen ($ 42 KV) oder gegen sie Klage wegen Verfassungs- und 
Gesetzesverletzungen zu erheben, wobei das Gerichtsverfahren verfas- 
sungsrechtlich nicht näher geregelt worden ist ($ 40 Bst. d KV).365 Der 
vom ständischen Verfassungsrat dem Fürsten am 1. Oktober 1848 über- 
mittelte Verfassungsentwurf räumte in ähnlicher Weise dem Landtag 
(<«Landrathe») das Recht ein, den Landesverweser wegen Verletzung der 
Verfassung oder der Gesetze und pflichtwidrigen Verausgabung der 
Staatseinnahmen in den Anklagezustand zu versetzen, wobei das Gesetz 
das Nähere, insbesondere das Verfahren, zu bestimmen gehabt hätte 
($ 90). Ein der Ministeranklage vergleichbares Instrument, wie es etwa ın 
den Verfassungen von Bayern, Baden, Württemberg anzutreffen ist, 
kennt die Konstitutionelle Verfassung nicht. Sie verstanden die Minis- 
teranklage als ein Verfahren, mit dem ein etwaiges gesetzes- oder verfas- 
sungswidriges Verhalten des Ministers sanktioniert werden sollte.? 
Dem Landtag standen jedoch ausserhalb dieser verfassungsrechtli- 
chen Regelung Kontrollmechanismen in Form von öffentlichen Missbil- 
ligungen, Anfragen, Verbesserungsvorschlägen und Korrekturen an 
Regierungsvorhaben zu, die er an die fürstliche Regierung richten 
konnte. Er hatte auch bei der Behandlung von Petitionen die Möglich- 
keit, den Landesverweser zu Missständen in der Staatsverwaltung zu 
befragen. Solche Vorstösse banden die fürstliche Regierung bzw. den 
Landesverweser («Regierungskommissär») zwar rechtlich nicht, übten 
aber dennoch politischen Druck auf ihn aus, der ihn zwang, die in der 
Versammlung des Landtages geäusserte Kritik zu beachten. Die Kom- 
364 Dieser Begriff umfasst nicht nur die Regierung (Landesverweser und die beiden 
Landräte), sondern auch das Landgericht, das die «unterste landesfürstliche Be- 
hörde» ist ($ 1 Amtsinstruktion von 1862). 
365 Dieser $ 40 Bst. d KV 1862 statuiert auch ein Recht, generell in Angelegenheiten der 
«Staatsverwaltung» Anträge zu stellen und Beschwerden zu erheben, denn die 
Tätigkeit des Landtages erstreckt sich auch auf Verwaltungssachen. 
366 Vgl. Julia Wuttke, Die Verantwortlichkeit von Regierungsmitgliedern, S. 213. 
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